Eine der populärsten Nationallegenden und berühmte indianische Ureinwohnerin Nordamerikas ist Sacagawea, ebenfalls überliefert als „Sakakawea“ oder „Sacajawea“. Sie war Schoschonin und wurde als 12-Jährige, zusammen mit anderen Kindern aus ihrem Lager, vom verfeindeten Stamm der Hidatsa entführt. Sie starb höchstwahrscheinlich am 22. Dezember 1812 an Fleckfieber. Ihr trauriger Tod bedeutete zwar das Ende einer Wildwest-Geschichte, doch durch die Berichte über ihre Abenteuer, wurde sie zu einer Volksheldin und beliebten indianischen Folklorefigur, deren Leben noch immer gefeiert wird. Keiner anderen Amerikanerin hat man so viele Denkmäler gewidmet wie Sacagawea.
Nach ihr wurden Berge, Seen, ein Fluss, ein Park und eine 1-Dollar Münze benannt. Vier Berge mit dem Namen Sacagawea Peak liegen in den Bundesstaaten Montana, Idaho, Wyoming und Oregon. Ein Stausee liegt an der Mündung des Yellowstone Rivers zum Missouri River in North Dakota, ein weiterer in Washington County, Missouri. Im Bundesstaat Washington gibt es gleich zwei, in Cowlitz County und Walla Walla County. Der Sacagawea-Fluss ist ein Nebenarm des Missouri Rivers im Norden Montanas. Der Park befindet sich in Salmon, Idaho. Zur offiziellen Einführung einer neuen, goldenen 1 Dollar Münze im Juli 1999, begab sich das Sacagawea-Motiv mit der Raumfähre Colombia auf eine Reise ins All. Außerdem tragen drei Schiffe der US- Navy, einer der größten Vulkankrater auf dem Planeten Venus und ein Asteroid ihren Namen. Auch die Filmindustrie in Hollywood griff das Thema auf und veröffentlichte 1955 eine Biographie in Form eines Westerns. In „The Far Horizon“, mit dem deutschen Titel „Am Fernen Horizont“, wurde Sacagawea von der Schauspielerin Donna Reed dargestellt.
Heldin im Schatten berühmter Männer
Sacagawea kam ca. 1787 als Tochter eines Häuptlings der Schoschonen zur Welt. Ihr Name bedeutet in der Sprache des Stammes so viel wie: „Die Frau, die das Kanu zu Wasser treibt“. Die „Shoshoni“ hausten am Lehmi River in Idaho. Sie lebten in kleinen Familienverbänden, die sich in vorkolumbianischer Zeit vorwiegend von Grassamen, Beeren, Wurzeln, Insekten und Maden ernährten. Deshalb wurden sie von den Nachbarstämmen auch „Grashüttenbewohner“ genannt. Bei der Jagd auf Kleintiere wie Hasen und Antilopen, nutzten sie nicht Pfeil und Bogen, sondern trieben die Beute in Netze und erschlugen sie mit Stöcken. Um 1700 veränderten sie ihre Lebensweise, nachdem es ihnen gelungen war, wilde Pferde zu zähmen. Sie begannen mit der Jagd auf Bisons. Mittels Büffeltänzen, Gesängen und rituellen Handlungen lockten sie die Herden an. Sie übernahmen viele Attribute der Prärie-Indianer wie Tipis, Lederbekleidung und Sonnentänze. Um 1900 trafen die Indianer erstmals auf Weiße und erhielten den Namen „Schlangenindianer“. Die Herkunft dieser Bezeichnung ist bis heute umstritten und es ist nicht sicher, ob der Begriff von der schlangenartigen Zeichensprache, mit der sie sich verständigten, oder mit der Bewegung der Halme beim Flechten ihrer kunstvollen Körbe zusammenhing.
Die angesehenste Person der Schoschonen ist jedoch Sacagawea, die im Alter von zwölf Jahren in die Gefangenschaft der Hidatsa, einem Stamm der Sioux geriet. Sie entführten das Mädchen in ihr Dorf am oberen Missouri in North Dakota. In der Sprache der Hidatsa bedeutete ihr Name „Vogelfrau“. Mit knapp 15 Jahren wurde sie an den franko-kanadischen Trapper Toussaint Charbonneau verkauft, der sie zu seiner Frau nahm. Von frühester Jugend an waren Indianerinnen zur gefügigen Ehefrau erzogen worden. Auch Sacagawea las ihrem Mann jeden Wunsch von den Augen ab. Keine Arbeit war für sie zu hart oder mühsam. Auf die Hilfe ihres Gatten konnte sie ohnehin nicht zählen, denn der ging einzig und allein seinen Lieblingsbeschäftigungen Jagen und Krieg führen nach.
Trapper und Expeditionen
Am 20. Juni 1803 vergab Präsident Thomas Jefferson einen Auftrag an Meriwether Lewis, Kapitän des ersten Regimentes der Vereinigten Staaten. Jefferson umriss die Aufgabe einer geplanten Entdeckungsreise in einer geheimen Botschaft: „Das Ziel der Expedition ist es, den Missouri Fluss zu erforschen und festzustellen, ob er, zum Zwecke von Handel und Kommerz, in seinem Hauptverlauf und in seinen Verbindungen mit den Wassern des Pazifischen Ozeans die direkteste und praktischste Kommunikation über diesen Kontinent erlaubt.” William Clark, der ebenfalls militärische Karriere gemacht hatte, manifestierte sich als seine rechte Hand. Die Expedition von Lewis und Clark stellt einen herausragenden Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte dar. Die Erkundung der Gebiete westlich des Mississippi machten Lewis und Clark zu amerikanischen Nationalhelden, deren Pioniergeist der Erforschung des Westens unzählige neue Facetten verlieh.
Die zweijährige Entdeckungsreise startete im Mai 1804. Einer der anfangs 27 Begleiter der Expedition war Toussaint Charbonneau. Die damals knapp 17-jährige, schwangere Sacagawea sollte die Männer begleiten. Sie erhofften sich wertvolle Dolmetscherdienste von der Indianerin, die sowohl die Sprache der Schoschonen wie auch die der Hidatsa perfekt beherrschte. In einem Winterlager der Truppe brachte sie ihren Sohn Jean Baptiste zur Welt. Expeditionsleiter Lewis und Clark schätzten die Leistungen der jungen Frau sehr. Als sie unter schweren Wehen litt, verabreichte ihr Lewis das Pulver der Klapperschlangenwurzel, einer Pflanze, die bei den Indianern besonders bei Entbindungen als Schmerzmittel eingesetzt wurde. Nach der Schneeschmelze im April 1805 geht die Forschungsreise weiter. Sacagawea bindet sich ihren Sohn, der im Lager den Spitznamen „Little Pomp“ bekam, auf den Rücken und begibt sich auf eine neue Station des Abenteuers. Das inzwischen auf 40 Mann angewachsene Team kämpft gegen mächtige Wasserfluten. Mit Stangen versuchen die Männer die Boote gegen die starke Fluss-Strömung auf Kurs zu halten. Eines der Boote kentert und das wichtigste Expeditionstagebuch von Lewis und Clark geht verloren. Die tapfere Indianerin, die in der Gegend aufgewachsen war, kennt den Fluss und die Gegend wie ihre eigene Westentasche und fischt die wertvollen Unterlagen aus dem Mississippi. Zum Dank benennen die Expeditionsführer einen Fluss nach ihr.
Sacagawea war nicht nur eine Frau der Tat, die den Männern jederzeit die Hand reichen konnte, sondern zeichnete sich auch durch Diplomatie und Verhandlungsgeschick aus. Sie bewahrte die Expeditionsmitglieder mehrfach vor dem Tod. Ihre reine Anwesenheit als „Rothaut“ und ihre vielseitigen Fähigkeiten hielten feindlich gesinnte Indianer oftmals von Angriffen ab. In Sacagawea’s alter Heimat traf die Truppe auch auf mehrere Schoschonenstämme, von denen sie Lastpferde kaufen wollten. Feilschen war eines ihrer größten Talente. So traf sie auf der Suche nach Pferden, mit denen die Rocky Mountains überquert werden sollten, auf ihren Bruder Cameahweit, der nach dem Tod ihres Vaters Stammeshäuptling wurde. Das Wiedersehen warf neues Licht auf ihre Kindheitserinnerungen. Sie kämpfte mit Tränen als ihr Bruder das Angebot äußerte, sie mit ihrem Sohn bei den Schoschonen aufzunehmen. Schweren Herzens entschied sie sich für die Expedition, denn sie hatte festes Vertrauen in die beiden Anführer und ihr Unternehmen.
Während der anstrengenden Reise über die Rockies, kümmerte sie sich unter anderem um vitaminreiche Ernährung. Aus Eichelmehl backte sie Brot, sammelte Beeren und Nüsse und kochte Wurzeln aus, damit alle Beteiligten bei guter Gesundheit blieben. Ihre Ehre und Pflicht, ihr Mut und ihre Entschlossenheit, sowie ihre Dienste als Dolmetscherin und Kundschafterin, machten sie zu einem der bedeutendsten Mitglieder der Expedition. Sie durfte sogar bei der Entscheidung über Winterquartiere abstimmen und das bereits 100 Jahre bevor Frauen in den USA das Wahlrecht erhielten. Im September 1806 endete die Expedition, die fast 8000 Kilometer, größtenteils unerforschten Landes durchquert hatte. Die wertvollen Erkenntnisse über Flora, Fauna, Geographie und Bevölkerung werden zu einem Stück amerikanischer Pioniergeschichte. Die Wege der Helden trennten sich. Sacagawea und Toussaint Charbonneau lebten von nun an wieder bei den Hidatsa-Indianern.
Sacagawea’s Erbe
1812 brachte Sacagawea ihre Tochter Lisette zur Welt. Was den Termin ihres Todes betrifft, streiten sich Historiker und es gibt verschiedene Berichte. Im Geburtsjahr ihrer Tochter soll eine der insgesamt mindestens fünf indianischen Frauen ihres Ehemannes Toussaint Charbonneau gestorben sein. Es könnte Sacagawea gewesen sein, die zu diesem Zeitpunkt an einer schweren Krankheit, wahrscheinlich Fleckfieber, litt und demnach im Alter von 25 Jahren verstarb.
Die Tatsache, dass William Clark 1813 ihre beiden Kinder adoptierte, spricht für ihren frühen Tod. Clark förderte ihren Sohn Jean-Baptiste und finanzierte seine Ausbildung. Der junge Mann beherrschte außer Indianersprachen Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch und wurde Dolmetscher und Reiseführer. Im Alter von 18 Jahren traf er auf Graf Paul Wilhelm vom Württemberg, der ihn mit nach Deutschland nahm. 1829 wurde er als Vater eines unehelichen Sohnes namens Anton beim Standesamt in Bad Mergentheim eingetragen. Als das Kind nach drei Monaten starb, reiste er zurück in die Vereinigten Staaten. In Bezug auf ihre Tochter Lisette gibt es in Clarks Aufzeichnungen keine weiteren Informationen. Es wird vermutet, dass sie bereits als kleines Kind starb.
In anderen mündlichen Überlieferungen gibt es Hinweise, dass Sacagawea ihren weißen Ehemann verlassen, einen Komantschen geheiratet, später zu den Schoschonen zurückgekehrt ist und erst 1884 starb. Welche Version die richtige ist, bleibt offen. Doch eines ist sicher: Die Geschichte der Menschheit hat nicht viele Heldinnen hervorgebracht. Frauen standen seit eh und je im Schatten von bedeutenden Männern. Meistens blieben sie unbeachtet. Sacagawea sah ihrem Schicksal ins Auge, nutzte all ihre Talente, wurde zu einer der Hauptfiguren der Lewis und Clark Expedition, hinterließ prägende Spuren in der Weltgeschichte und stand bereits im Alter von 17 Jahren ihren „Mann”. Sie hat sich einen Namen als Nationalheldin hart verdient und ihre Legende lebt bis heute weiter.