Dass Nevada mehr zu bieten hat als nur die Glitzerwelt von Las Vegas, ist mittlerweile ziemlich bekannt; dass sich aber nur wenige Autominuten entfernt ein Naturschutzgebiet befindet, eher weniger. Das zwischen der Sierra Nevada und den Rocky Mountains gelegene weite Land wird hauptsächlich von flachen Ebenen, sandigen Wüsten und Steppen durchzogen. Der Beiname Silver State (Silber Staat) geht auf reichhaltige Silber- und Goldvorkommen zurück. Trotz der kargen Vegetation findet man in Nevada sehenswerte Naturschönheiten. Eine davon ist Red Rock Canyon National Conservation Area. Das Naturschutzgebiet liegt in der Mojave Wüste, nur 30 Kilometer westlich von Las Vegas entfernt.
Rote Felsen – Weites Land
Das Hauptmerkmal sind die Red Rocks (Rote Felsen). Sie bestehen aus Aztec-Sandstein, der durch den hohen Gehalt an Eisenoxid rot gefärbt ist. Der Canyon ging aus einem mehr als 400 Millionen Jahre alten Meeresbett hervor. Das ehemalige Ozeanleben hinterlässt Spuren von Muscheln und Skeletten, die in den Stein komprimiert sind. Die Schluchten sind bis zu 900 Meter tief und bestechen mit eindrucksvoll leuchtenden Farben und überwältigenden Felsformationen. Die einzigartige Berg- und Wüstenlandschaft beeindruckt mit karger Vegetation und endlosen Weiten.
Das Naturschutzgebiet Red Rock Canyon ist eine Oase in der Wüste. Die Felsen speichern Wasser und sorgen so für Feuchtigkeit und kühlere Temperaturen. Die breite Palette der Flora dient als idealer Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Obwohl die sandigen Böden mit geringer Wasserspeicherkapazität keine idealen Standorte für ein üppiges Pflanzenvorkommen sind, entdeckt man hier rund 600 Pflanzenarten. Dazu gehören unter anderem der Joshua Tree und der Creosote Bush.
Der Joshua Tree ist eine der wenigen Baumarten, die der Entwicklung mehrerer tierischer Bewohner dient. Dazu gehören Eulen, Meisen, Spechte und auch Eidechsen. Ratten nutzen die Blätter zum Nestbau. Früher verarbeiteten die Indianer die Samen zu Mehl, die Blüten wurden verzehrt und die Wurzeln zur Herstellung von Farbe verwertet, um Körbe zu bemalen. Die Mormonen, die einst die Mojave Wüste durchquerten, gaben dem Baum seinen Namen. Sie erkannten in den Bäumen die Gestalt des Propheten Joshua, der seine Arme gegen den Himmel hielt. In einigen Bereichen stösst man auf Pinyon-Kiefern und Wachholderbäume. Es dominieren allerdings niedrig wachsende, räumlich weit verteilte Sträucher.
Eine weitere Nutzpflanze mit Vergangenheit ist der Creosote Bush (Kreosotbusch), einer der weitverbreitetsten Sträucher in den Wüsten Nordamerikas. Sie können bis zu 12,000 Jahre alt werden und sind als giftig eingestuft. Die Blätter des immergrünen Busches riechen sehr stark nach Kreosot, einem heutzutage nicht mehr verwendeten teerhaltigen Holzschutzmittel. Die Indianer nutzen das Destillat aus den Blättern als Allheilmittel in verschiedenen Potenzen hauptsächlich gegen Zahnschmerzen, Erkrankungen der Atemwege, Hauterkrankungen, Blutvergiftungen, Leberleiden und in der Frauenheilkunde.
Tierwelt im Red Rock Canyon
Wasser ist ein kostbares Element im Red Rock Canyon. Das Naturschutzgebiet enthält mehr als 40 Quellen. Aufgrund des Wasservorkommens ist Pflanzen- und Tierwelt stärker vertreten als in der umliegenden Wüste. Wer genau hinschaut kann mit etwas Glück Leben in dieser rauen Landschaft entdecken. 100 Vogelarten, verschiedene Frosch- und Eidechsenarten, Schlangen, Spinnen, Eichhörnchen, Hasen, Ratten, Füchse, Pumas, Luchse, Kojoten, Maultiere, wilde Esel und die Landschildkröte oder Gopherschildkröte. Die meisten Tiere sind nachtaktiv und die grösste Wahrscheinlichkeit einem Canyon- oder Wüstenbewohner zu begegnen ist in den Morgen- und Abendstunden. Beim Wandern ist zu jeder Tageszeit Vorsicht geboten. Bedroht wird der Lebens- und Wohnraum der Tiere durch den Menschen, der in das Revier eindringt. Sollten Sie zufällig auf eines der ursprünglich scheuen Tiere treffen, dann halten Sie einfach ein wenig Abstand.
Relativ häufig begegnet man der vom Aussterben bedrohten Desert Tortoise (Landschildkröte), die im gesamten Verbreitungsgebiet unter Naturschutz steht. Die Schildkröte erreicht eine Grösse von mehr als 40 cm und kann bis zu 4 kg schwer werden. Um der Sonne zu entfliehen, graben sie sich Tunnel, die bis zu 3 Meter tief und 12 Meter lang sind. Dadurch bieten sie auch anderen Tierarten eine sichere Lebensgrundlage.
Zwischen September und November stösst der Besucher oftmals auf ein eindrucksvolles behaartes Rieseninsekt, die Tarantula oder Vogelspinne. Das Gift der Vogelspinne ist mit dem einer Hornisse zu vergleichen. Der Biss ist zwar schmerzhaft, aber für einen gesunden Menschen nicht lebensgefährlich.
Schlangenliebhaber können im Naturschutzgebiet einem besonderen Exemplar begegnen. Die Mojave Green ist eine Klapperschlange, die zwar kleiner ist als ihre Artgenossen, aber dafür umso giftiger. Ihre Grundfärbung ist grün bis gelbbraun. Sie hält Winterschlaf und ist aktiv zwischen April bis September. Die Mojave Green steht auf der medizinischen Forschungsliste weit oben. Ihr Gift greift nicht nur Blut- und Gewebezellen an, sondern verspritzt auch neurotoxische Substanzen, die sonst eher bei Giftnattern wie der Kobra vorkommen. Auf der Suche nach Wirkstoffen, unter anderem gegen Parkinson, Alzheimer und Krebs, analysieren Wissenschaftler auch den „Giftcocktail” der Mojave Green.
Abenteuer im Red Rock Canyon
Das gesamte Naturschutzgebiet ist nicht nur ein Geschenk fürs Auge, sondern präsentiert fantastische Möglichkeiten zum Klettern, Wandern, Reiten und Radfahren. Wer lieber mit dem Auto unterwegs ist, kann das auf einer 21 km langen Panorama-Rundfahrt tun. Der Park verfügt über mehrere Picknickplätze und Aussichtspunkte. Im Red Rock Canyon-Keystone Visitor Center erhält man das nötige Informationsmaterial mit hilfreichen Wanderkarten, die auch den Schwierigkeitsgrad jeder Strecke ausweisen. Eine kleine Ausstellung und einen Geschenkeladen gibt es natürlich auch. Der Campingplatz liegt um die Ecke, ist allerdings in den heissen Sommermonaten (Juni, Juli, August) geschlossen.
Es gibt viele abwechslungsreiche Wandertouren mit faszinierender Szenerie. Besonders für Kinder geeignet, ist der Lost Creek Trail. Er ist nur einen Kilometer lang und bietet ein Abenteuer durch eine wildromantische Schlucht mit dem Ambiente eines Urwaldes. Der Bach führt meistens Wasser.
Der Willow Spring Trail und der La Madre Spring Trail sind die abwechslungsreichsten Routen. Man schlängelt sich durch eine einzigartige Canyon- und Wüstenlandschaft, sieht viele unterschiedliche Kakteenarten und im Frühling ein Meer von traumhaften Feldblumen. Sehenswert sind die Petroglyphen (Felsmalereien) der Indianer. Die Zeichnungen sind in den Fels geritzt, gemeisselt, gemalt oder gekratzt. Kunsthistoriker gehen davon aus, dass es eine Art Zeichensprache oder ein Geheimcode ist. Die Meinungen reichen von Landkarten, Grenzmarkierungen, Hinweise auf Wasser- oder Jagdgebiete, bis hin zu Anleitungen für bestimmte Zeremonien.
Red Rock Canyon ist ein international bekanntes Sportklettergebiet mit mehr als 1500 Routen. Kletterfreunde entdecken ihr wahres Paradies in den Calico Hills. Reizvolle rote Felswände in verschiedenen Farbschattierungen bieten ausgefallene Möglichkeiten, in die Höhe zu klettern. Beim Abseilen wird man mit spektakulären Ausblicken belohnt. Das Besucherzentrum händigt Sondergenehmigungen aus, damit sich sportlich Begeisterte auch ausserhalb der Öffnungszeiten im Park aufhalten können.
Ein weiteres beliebtes Ziel ist die Spring Mountain Ranch. Die vielen Wasserquellen im Red Rock Canyon National Conservation Gebiet haben eine grüne Oase geschaffen. Die früheren Reisenden suchten die Gegend als Rastplatz für sich und ihre Pferde auf. In der langen Geschichte, der im Jahre 1830 gegründeten Ranch, gab es auch eine deutsche Bewohnerin. Die Schauspielerin Vera Krupp, zweite Frau des deutschen Industriellen Alfred Krupp, erwarb das Anwesen 1955. Heute ist es ein Museum, in dem man die gesamte Vergangenheit vor Ort erkunden kann.
Der Red Rock Canyon ist ein lohnenswertes Ausflugsziel in der Mojave Wüste. Wer einen Tag in der Natur auf besondere Weise ausklingen lassen will, sollte sich die Zeit nehmen, den Sonnenuntergang zu beobachten. Das Abendlicht setzt farbige Akzente auf die Berg- und Wüstenlandschaft. Die Felsen leuchten in intensiven Rot-Schattierungen. Ein unvergesslicher Anblick. In der Ferne hört man die Koyoten heulen. Ihr Echo verhallt im Zauber der Dämmerung. Wildwestromantik pur. Und das alles um die Ecke von Las Vegas.