Palmen von Los Angeles

Warum Palmen aus Los Angeles verschwinden werden

Die zu Los Angeles gehörenden zigtausend Palmen könnten sich bald drastisch minimieren. Neben einer Altersschwäche setzen den bis zu 150 Jahre alten Pflanzen Pilzerkrankungen, gefräßige Käfer und die Klimaerwärmung zu. Da Palmen aber wenig Kohlenstoff binden und viel Wasser benötigen, will die Stadtverwaltung sie nach ihrem Tod durch Bäume zu ersetzen, die mehr Schatten spenden und resistenter sind. Ersetzt werden sollen sie nur in sechs touristisch relevanten Arealen.

Klimawandel: Los Angeles ersetzt schrittweise seine Palmen

Palmen gehören zum Stadtbild von Los Angeles wie das Hollywood-Zeichen und die Burgerläden von In-N-Out. Sie säumen Highways und Boulevards von Beverly Hills bis zu den Ausläufern der San Gabriel Mountains, bilden die Kulisse unzähliger Filme, Plakate und Musikvideos und stehen überhaupt an so vielen Orten herum, dass es beinahe unmöglich ist, sich in L.A. aufzuhalten, ohne eine zu sehen. Schlank und elegant wachsen sie in den blauen Himmel empor; und bei jeder Brise tänzeln sie und bewegen ihren wuscheligen Schopf. Doch so unbeschwert ist ihr Leben nicht: Die Tage der Palmen in L.A. sind gezählt.

Nur Palmen mit historischer Bedeutung oder an wichtigen Touristenspots sollen erhalten bleiben. Denn viele Exemplare in der Stadt sind bald 150 Jahre alt. Manche sterben an Altersschwäche, viel mehr noch an Krankheiten wie dem Fusarium-Pilz, der in den 1980er-Jahren begann, über die Wurzeln in die Palmen einzudringen und ihre Gefäße zu verstopfen, bis sie hilflos verkümmern. Dann kam 2011 auch noch ein gefährlicher Käfer, der Rote Palmrüssler, über die mexikanische Grenze nach Kalifornien und arbeitet sich seitdem beständig Richtung Norden vor. Er legt seine Eier in der Krone der Palmen ab, die dann von den geschlüpften Larven gefressen wird, ehe sie zu Boden fällt.

Palmen sind keine Bäume

Laut einem Bericht der Los Angeles Times befürchtet die Stadtverwaltung, dass viele Palmen schneller sterben, als neue gepflanzt werden könnten. Abgesehen davon, dass die Verwaltung vielerorts gar nicht plant, sie zu ersetzen. Denn auch in der Stadt der Engel steigen die Temperaturen im Zuge der Klimakrise unerbittlich, unangenehme Hitzeinseln entstehen. Bäume könnten Abhilfe schaffen, aber Palmen sind keine Bäume – als einkeimblättrige Pflanzen sind sie Bromelien und Pflanzen wie Mais, Weizen und Bambus näher als Kiefern oder Eichen.

Die Zahlen klingen dramatisch: Bis 2050 soll sich die Zahl der Tage mit extremer Hitze in Kalifornien verdreifachen; jedes Jahr tötet sie in den Vereinigten Staaten mehr Menschen als alle anderen Wetterereignisse zusammen. Forscher haben herausgefunden, dass es in Vierteln mit wenigen schattenspendenden Bäumen und vielen Straßen und Gebäuden bis zu zehn Grad wärmer ist als in der Umgebung.

Palm Trees
@Travis Conklin

Palmen sehen gut aus, helfen aber bei diesen Problemen nicht wirklich: Sie binden nicht viel Kohlenstoff, spenden kaum Schatten und verbrauchen mit bis zu 1000 Litern pro Tag mehr als doppelt so viel Wasser wie etwa eine ausgewachsene Buche. Ein Problem in einer Stadt, die seit Langem mit dramatischen Dürren zu kämpfen hat. Die Palme hat außer ihren ästhetischen Reizen kaum etwas zu bieten – nicht einmal für das Ökosystem. Nur Ratten finden bei ihr Unterschlupf. Palmen sind außerdem leicht entflammbar und werfen ihre abgestorbenen Wedel auf Straßen und Bürgersteige. Es ist schwer, sich ihrer zu entledigen, denn die dichten Fasern machen sie schwer kompostierbar.

Los Angeles ohne Palmen, das klingt nach einer radikalen Idee, aber es wäre tatsächlich eine Rückkehr zu den Ursprüngen. Südkalifornien war nur mit Buschgras bedeckt, als spanische Franziskanermissionare die ersten Palmen im 18. Jahrhundert aus der Karibik und Lateinamerika mitbrachten. Nicht zur Zierde, sondern aufgrund ihrer biblischen Bedeutung und ihres Nutzens etwa für Palmsonntagsfeiern.

Los Angeles – dank Palmen der irdische Garten Edens

Auch als die Missionare irgendwann gingen und ihre Missionen verfielen – die Palme blieb. Als in den 1880er-Jahren die Eisenbahn nach Los Angeles kam, erkannten Immobilienspekulanten das Potential dieses riesigen, leeren Ortes und nutzten im Zuge des sogenannten „Landbooms“ das Bild der Palme, um Menschen aus dem kalten Osten ins warme Kalifornien zu locken.

Mit Palmen, die sie entlang der Ausgänge von Bahnhöfen und später Flughäfen platzierten, wurden Neuankömmlinge auf den „Californian Dream“ eingestimmt. Mancherorts wurde alle 30 Meter ein Exemplar gepflanzt. Menschen aus dem ganzen Land strömten nach Kalifornien und verschrieben sich ganz der exotischen Verheißung dieses irdischen Garten Edens. Die Oase Los Angeles versprach Wohlstand und Sorglosigkeit und materielle Güter im Überfluss. Die Stadt wuchs wie verrückt; zwischen 1880 und 1930 stieg die Bevölkerung von 11.000 auf über 1,2 Millionen Menschen.

Palmen Elysian Park

Und Palmen gediehen in Los Angeles zunächst prächtig. Besonders die in Nordmexiko beheimatete (und dort fast ausgerottete) Mexikanische Fächerpalme (Washingtonia robusta), die mit ihrer großen, schlanken Statur und den kleinen Wedeln nicht nur alle Bäume überragte, sondern auch so ziemlich jedes Gebäude in Los Angeles. Die Stadtvorderen pflanzten sie nicht nur auf den großen Boulevards, sondern in den winzigsten Straßen; in Parks, an Stadien und Strandpromenaden, gemeinsam mit der Kalifornischen Fächerpalme (Washingtonia filifera), die aus den Oasen der nahe gelegenen Mojave-Wüste stammt und etwas kleiner und gedrungener ist.

Auch Privatleute holten sich Palmen als Symbol für Status und Glamour in ihre Gärten. Um die Jahrhundertwende schafften sie viele Kanarische Dattelpalmen (Phoenix canariensis) an – bei Stückpreisen von bis zu 20.000 Dollar ein teures Vergnügen. Mit ihnen gaben sie ihren Anwesen das gewisse „Je ne sais quoi“. In den 1920er- und 1930er-Jahren war diese Palmenart mit federartigen Wedeln, leuchtend orangefarbenen Blüten und einem ananasähnlichen Stamm in wohlhabenden Vierteln wie Beverly Hills und Hancock Park immer häufiger zu sehen.

In Los Angeles stehen zehntausende Palmen

Als kurz darauf das Goldene Zeitalter in Hollywood begann, wurden Palmen zum Sinnbild für Glamour und Sex und Reichtum. „Los Angeles wurde eine einzige große Filmkulisse; ein Phantasieland, in dem alles möglich war“, schreibt die Autorin Victoria Dailey in ihrem Buch „Piety and Perversity: The Palms of Los Angeles“. Palmen fungierten quasi als Requisite, die das Wohlstandsversprechen einer Stadt symbolisierte, in der immer die Sonne scheint.

Um den Status der aufstrebenden Metropole als Weltstadt zu manifestieren, pflanzte die Stadt als Verschönerungsmaßnahme im Vorfeld der Olympischen Sommerspiele 1932 mehr als 25.000 Mexikanische Fächerpalmen. Aufgrund ihres flachen Wurzelballens konnten selbst unerfahrene Arbeiter die Pflanzen schnell und zügig setzen. Deshalb wurden im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme kurz darauf weitere 40.000 gepflanzt, von denen viele bis heute noch leben – unter anderem stehen sie auf dem Weg vom Flughafen LAX in die Stadt Spalier.

Palmen Venice Canals

Wie viele Palmen es in Los Angeles heute gibt, weiß selbst die Stadt nicht. In den 90er Jahren waren es wohl immerhin um die 75.000. Wenn sie sterben, sollen sie nach und nach durch heimische Bäume wie Roteiche, Eukalyptus oder Schwarze Walnuss ersetzt werden. Sie geben mehr Schatten und sind toleranter gegenüber Trockenheit.

Weil aber die Palme stark mit der Ästhetik der Stadt verwoben ist, kann die Stadt sie auch nicht ganz verschwinden lassen. Palmen mit historischer Bedeutung oder solche, die einen „wirtschaftlichen Mehrwert durch den Tourismus“ bringen, werden neu gepflanzt. Sechs Areale hat die Stadt dafür auserkoren. Dazu gehören der Sunset Boulevard, das Stadtviertel Echo Park und die von Norden nach Süden verlaufende Highland Avenue.

Bis heute prägen Palmen den Mythos von Los Angeles und sind Synonym für ein Lebensgefühl, das untrennbar mit der Stadt verbunden ist. Doch vielleicht ist das Palmensterben auch ein Zeichen dafür, dass selbst das vermeintlich süße, unbeschwerte Leben in Südkalifornien angesichts globaler Krisen ein Ablaufdatum hat.

Photos: Los Angeles Tourism Office


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