Lake Havasu

Wasserspiele in der Wüste Arizonas

Im Nordwesten von Arizona, mitten in der Wüste und teilweise auf kalifornischem Boden, liegt ein traumhaft schöner See mit spektakulärer Aussicht – Lake Havasu. Wer zum ersten Mal an diesem Abenteuerspielplatz ankommt, traut erstmal seinen Augen nicht. So abstrus es auch klingt und man muss zweimal hinsehen, ehe man es glaubt: Hier steht die „Original London Bridge“ aus dem fernen Großbritannien. Das kann doch nicht sein! Oder doch?

Vor nicht allzu langer Zeit kaufte der Fabrikant Robert Paxton McCulloch ein sehr großes Stück Land und suchte nach Möglichkeiten seiner 1963 neu gegründeten Stadt, Lake Havasu City, mehr Besucher zu schenken. 300 Sonnentage pro Jahr gab es schon, internationale Motorbootrennen auch. Fast alles ist möglich, wenn es Wasser gibt, es fehlte nur noch das besondere Etwas. Als dann in England im Jahre 1968 die alte London Bridge, die 138 Jahre die Themse überspannte, aus statischen Gründen vom Einstürzen bedroht war, was ein alter englischer Kinderreim ja bereits lange voraussagte…

London Bridge is falling down,
Falling down, falling down.
London Bridge is falling down,
My fair lady.

London Bridge bricht zusammen,
Bricht zusammen, bricht zusammen.
London Bridge bricht zusammen,
Meine schöne Dame.

…und abgerissen werden sollte, dachten clevere Mitglieder des Stadtausschusses, dass man die Brücke besser versteigern sollte. Und so geschah es auch. Der Geschäftsmann McCulloch sah seine Chance und hat sie zum Preis von etwa 2,5 Millionen Dollar erworben; weitere 7 Millionen hat es gekostet diese über den Ozean zu schicken. Die Versteigerung machte „London Bridge“ laut Guinnessbuch der Rekorde zur größten jemals verkauften Antiquität der Welt. Der neue Besitzer ließ sie, Stein für Stein nummeriert, abtragen. Die Brücke wurde zunächst verschifft und dann auf dem Landweg weiter transportiert.

1968 begann der Wiederaufbau mit einer Zeremonie, an der der damalige Oberbürgermeister von London den Grundstein legte. Nach drei Jahren stand die Brücke wieder, nur an einem anderen Ort. Sie führt über einen künstlich geschaffenen Flussarm und ist heute ein gefragtes Touristenziel und auch beliebtes Wochenendziel für Amerikaner, die aus überfüllten Großstädten und vor Luftverschmutzung flüchten, um sich zu erholen. Unter der Regie von McCulloch entstanden in den USA mehrere geplante Wohn- und Erholungsgebiete, die dem amerikanischen Lebensstil perfekt entsprechen. Umweltschutz ist oberstes Gebot, deshalb liegen Wohn- und Industriebereiche weit auseinander. Alles ist geräuscharm und ohne rauchende Industrieschlote. Erholung und Sport stehen im Vordergrund.

Lake Havasu LB1970

Lake Havasu wurde in den 30er Jahren durch die Aufstauung des Colorado River künstlich angelegt. Er sollte der Wasserversorgung der trockenen Staaten Colorado und Kalifornien dienen und ist noch immer eine wichtige Trinkwasserquelle. Das Wasser des 7800 Hektar großen Gewässers wird über zwei Aquädukte abgleitet. Sie werden in Fachkreisen als Meisterwerke des Ingenieurwesens bezeichnet. Das gilt auch für den „Parker Damm“, der von 1934 bis 1938 erbaut wurde und das Wasser im See staut.

Von dem 98 Meter hohen Damm liegen 72 Meter unterhalb des Wasserspiegels. Auch die ansässigen Indianer waren von dem Prachtstück begeistert. Sie standen vor dem See und trauten ihren Augen nicht – sie staunten allerdings nicht über den Damm und die Aquädukte, sondern über das tiefblaue Wasser, denn der Colorado River ist eigentlich rot gefärbt. Im Stausee setzten sich die Sedimente ab und das rote Wasser wurde wieder blau. „Havasu“ ist das indianische Wort für „blau“ und so bekam der See seinen Namen.

Lake Havasu beheimatet zahlreiche Fischarten, darunter Welse, Karpfen und Barsche; daher sind die Strände ein populärer Treffpunkt und lassen jedes Anglerherz höher schlagen. Viele fangen die Beute nicht zum Verzehr, sondern setzen sie wieder ins Wasser zurück. Was die Angler dann von einem solchen Ausflug mit nach Hause nehmen, ist ein Netz voller Fischeranekdoten. Anbieter vor Ort organisieren Angeltouren und verleihen selbstverständlich auch die Ausrüstung. Wer Herausforderung sucht, kann an regelmäßigen Wettkämpfen teilnehmen.

Lake Havasu ist für alle Wasserratten, die sich für Aktivitäten im kühlen Nass begeistern können oder einfach nur die Stille am See genießen möchten, der ideale Ort. Vom Speed Boot Verleih über Wakeboarding bis hin zu Wasser- und Jetski Parcours oder auch Flyboards, die Überfliegern einen Höhenflug der Superlative garantieren, ist der See ein Eldorado. Ich habe das noch nie gemacht, also wird es ausprobiert. Ein bisschen Theorie zum Einstieg und dann startet das Abenteuer.

Ein Flyboard wird wie ein Snowboard unter die Füße geschnallt. Ausgerüstet ist man mit Helm und Schwimmweste. Durch den Motor eines Jetskis wird mit hohem Druck Wasser durch die Düsen in einen Schlauch gepumpt. Durch den Rückstoß des Wasserstrahls bekommt das Board Auftrieb, man fliegt hoch in die Luft und dann wieder zurück in die Fluten. Der Wasserdruck wird dem persönlichen Niveau angepasst, sodass man nicht in gefährliche Situationen geraten kann. Fliegen über Wasser sieht bei mir eher stümperhaft aus; diejenigen, die es beherrschen, schlagen eindrucksvoll ihre Saltos und Spiralen. Das schaue ich mir dann doch lieber vom Ufer aus an. Spaß hat es trotzdem gemacht!

Flyboard at the Channel

Jeden Cent wert, und für mich eine der schönsten Erinnerungen an die Reise, ist eine Bootstour bei Sonnenuntergang. Mit einem Drink in der Hand und einer leichten Brise aus dem Westen, tuckern wir über einen orange violetten und vollkommen glatten See. Als die Sonne hinter den Bergen versinkt und die Umgebung in herrliche Farben taucht, ist das der perfekte Start in einen bevorstehenden Abend in der Stadt.

Auch verträumte Fahrten mit dem eigenen Hausboot oder Tauchgänge zu versunkenden Schiffswracks garantieren Abwechslung. Viele Taucher sind noch immer auch der Suche nach einem mysteriösen Geheimnis, denn irgendwo befindet sich das Wrack des einmotorigen Kampfflugzeuges North American AT-6C, das am 2. Januar 1960 abstürzte. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Das Flugzeug wurde nie geborgen. Die Suche nimmt kein Ende. Ein ähnliches Rätsel, nahe am Grenzbereich der Stadt geschah am 4. August 1943. Eine Pursuit P-40 bei Havasu Landing stürzte aufgrund eines Motorschadens ab. Flammen gelangten ins Cockpit und füllten es mit Rauch. Der Pilot blieb glücklicherweise unverletzt und entkam mit einem Fallschirm. Er landete im Colorado River und wurde von einem Motorboot gerettet. Das Flugzeug wurde nie gefunden. Unendlich viel Taucherteams haben versucht, das Wrack im Laufe der Jahre zu finden – doch leider vergebens. Hobbytaucher geben nicht auf und versuchen weiter die Spuren der Vergangenheit aufzudecken.

Lake Havasu

Doch Freude lockt nicht nur auf dem Wasser. Tennisplätze, Golfplätze und die umliegende Wüste sowie die nahen Chemehuevi Mountains eignen sich hervorragend für Wanderungen. Die Wege sind übrigens hervorragend ausgeschildert. Rasante Offroad-Fahrten im Quad oder Jeep durch staubigem Wüstensand oder auch Mountainbike-Touren faszinieren die Besucher gleichermaßen. Ausgangspunkt ist Lake Havasu City, die größte Stadt am See mit rund 59.000 Einwohnern. In alten Zeiten war an derselben Stelle ein kleiner Minenort. Hier findet man neben schönen Geschäften, Restaurants und Casino jede Menge Unterhaltung. Alternativ zum See, kann man im „Aquatic Center“ Wasser-Aerobic Kurse, abenteuerliche Riesenrutsche und auch ein Wellenbad genießen.

Wer der Geschichte des Ortes näher auf den Grund gehen möchte, sollte unbedingt das Lake Havasu Museum of History besuchen. Es ist zwar klein, aber fein und lehrreich. Früh aufstehen lohnt sich für das „Balloon Festival“, das jährlich im Januar veranstaltet wird. Eine ruhige, fast lautlose Fahrt bei Sonnenaufgang über der einmaligen Landschaft wird zu einem unvergesslichen Erlebnis. Die Heißluftballons spiegeln sich im Wasser und der wundersame Ort erscheint aus dieser Perspektive fast mystisch.

Lake Havasu Balloon Festival

Etwas britisch wird es in dem kleinen Stadtteil English Village. Wir parken am London Bridge Boulevard, gehen durch ein schmiedeeisernes Tor mit Blick auf einen Brunnen. Schon gleich fühlt es sich viel kühler an, denn heute knallt die Sonne mit 35 Grad auf uns nieder. Wir haben Glück, denn noch heißer ist es zwischen Juni und August, da kann das Thermometer bis auf 45 Grad klettern. Die Gebäude sind englisch romantisch im Tudorstil gebaut und haben alle Charakteristiken und Details dieser Zeit, wie Ornamente im Bauwerk, steile Dächer, Bögen und Zinnen. Britische Spezialitäten, hübsche Boutiquen und Souvenirshops laden zum Verweilen und, natürlich, einkaufen ein.

Über einen kurzen Fußweg gelangt man hinunter zum Ufer und zur Brücke. Kleine Boote liegen verträumt vor Anker. Unter einem Brückenbogen zieht sich eine mit zahlreichen Palmen bepflanzte Promenade am Strand entlang. Einen Eisstand gibt es hier auch und wir nutzen die Chance uns mit einer Kugel Sorbet etwas abzukühlen während wir die traumhafte Aussicht genießen. Im Dezember ist das traditionelle „Festival of Lights“ die bekannteste Attraktion. Mehr als 500.000 Lichter setzen die Brücke und das Village in den Mittelpunkt. Die Wasserfläche glitzert, Bäume sind in magisches Licht getaucht und alles schimmert und strahlt. Auch die Stadt ist illuminiert und eine märchenhafte Kulisse ist so absolut perfekt gestaltet. Weihnachtsflair in der Wüste!

Downtown Shambles Village

Auf der anderen Seite liegt die Insel Pittsburg Point, die nur über die London Bridge zu erreichen ist. Viel Sand und Kiesel, keinerlei Bäume, dafür gibt es hier Golfplatz, Yachthafen, Campingplätze, Hotels und einen Flughafen mit der Fluggesellschaft „McCulloch Aviation“. Auf diese Weise hat der Investor kostenlose Flüge angeboten und potentielle Immobilien-Interessierte in die Gegend verfrachtet bis sein Rechenexempel aufging und er genug Menschen angesiedelt hatte.

Mehr Sehenswertes erwartet Besucher außerhalb der Stadtgrenzen entlang der Uferlinie des Sees. Lake Havasu hat nämlich eine ganz besondere Sammlerleidenschaft: Leuchttürme. Detailgerechte Replikate von echten, andernorts in den USA befindlichen Leuchttürmen, sind auf jeweils etwa ein Drittel der Originalgröße reduziert, erfüllen aber die gleiche Aufgabe wie die Originale in anderen Bundesstaaten. Im Besucherzentrum der Stadt bekommt man einen Lageplan der inzwischen bereits 24 Leuchttürme. Besonders imposant ist das Bild in der Dunkelheit, wenn die hell erleuchteten Türme rund um den See erstrahlen und den Anschein erwecken, jedem auf dem Wasser befindlichen Orientierungslosen, den Weg zurück in den Hafen aufzuzeigen.

Lake Havasu Cape Hatteras

Lake Havasu ist ein maßgefertigtes Paradies, das ein Geschäftsmann zum Leben erweckt hat. Sein Konzept ging auf, denn Lake Havasu entwickelte sich zu einem einzigartigen Erholungsgebiet und Sehnsuchtsort mitten in der Wüste. Die Möglichkeit für Aktivitäten auf und um den See sind nahezu unbegrenzt. Hinzu kommen malerische Ausblicke soweit das Auge reicht. Ein ganz besonderer Höhepunkt sind die für Arizona so typischen traumhaften Sonnenuntergänge.

Lake Havasu Topock Gorge

Photos: Go Lake Havasu


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