Ein kleines Städtchen im Westen Colorados machte sich einen großen Namen in einem Extremsport. Die Landschaft um Ouray erinnert stark an die Schweizer Alpen und trägt deshalb den Beinamen „Switzerland of America“. Was liegt also näher, als sich dort in ein Abenteuer zu stürzen, das manchen schon beim Anblick den Schweiß auf der Stirn gefrieren lässt? Die Rede ist vom Eisklettern in Ouray.
Die ehemalige Bergminenstadt in den San Juan Mountains ist beliebter Ausgangspunkt für Wintersportler. Der auf 2.347 m hoch gelegene Ort kann sich mit 285 Sonnentage im Jahr rühmen. Einmal im Jahr wird die Kleinstadt mit ca. 1000 Einwohnern zur Weltstadt und platzt aus allen Nähten, wenn sich beim viertägigen „Ouray Ice Festival“ im Januar die Elite der Eiskletterer hier trifft.
Zu erreichen ist Ouray über eine der schönsten Bergstrecken Colorados, den Million Dollar Highway. Es ist die Verbindung zu der 50 Kilometer südlich gelegenen Stadt Silverton. Von dort aus fährt man über den 3.346 Meter hohen Red Mountain Pass, der dann über eine Serpentinenstrecke vorbei an steilen Felswänden in Ouray endet. Wie der Name des Highways mit der Nummer 550 zustande kam ist etwas umstritten. Die einen behaupten es kostete eine Million Dollar die Straße zu bauen, die anderen meinen, dass der Belag goldhaltigen Split aus den einstigen Minen enthält. Besonders beeindruckend ist die Route im Herbst, wenn sich die Natur in ein buntes Farbenmeer verwandelt, oder zum Ende des Frühlings, wenn die Gipfel der Berge noch schneebedeckt sind.
Gefrorenes Eis
Der Gedanke, einen Eiskletterpark zu eröffnen, entstand aus der Verzweiflung heraus. Besonders in den Wintermonaten klagten Hotelbesitzer über nüchterne Gästezahlen. Einheimische Kletterer hatten schon in den 80er Jahren entdeckt, dass in der naheliegenden oberen Schlucht des Box Canyon im Süden der Stadt eine alte Wasserleitung leckte und Eis bildete. So entstand die Idee, die Schlucht künstlich zu beregnen. 1995 wurde das Projekt endlich wahr. Aus dicken Rohren plätschert jetzt Wasser über die Felsen. Fertig ist der Eispark! So können Besucher heute 175 Routen mit einer Höhe von 24 bis 61 Metern erklimmen. Es ist eine Mischung aus kombiniertem Gelände oder purem Eis möglich. Die Schwierigkeitsgrade und Neigungen variieren. Massive, vertikale Wände, hängende Riesenzapfen, alles ist vorhanden und das zu Fuß in 5-10 Minuten von Ouray entfernt. Eiskalt und herausfordernd!
Das Ouray Ice Festival im Januar ist das weltweit größte Eisfestival und eine einmalige Mischung aus spannendem Eisklettern und einer mitreißenden Show. Jeder im Wettbewerb ist vom Ehrgeiz getrieben, eine Trophäe in der eingetragenen Disziplin nach Hause zu bringen. 2018 findet die Veranstaltung vom 18-21. Januar statt. Zum Rahmenprogramm gehören Multimediapräsentationen, Live-Musik und kulinarische Höhepunkte. Die Choreografie der Stadt wandelt sich. Überall sieht man athletische Körper, spürt Disziplin und wird angesteckt von rasantem Tempo. Die Stimmung unter den Wettbewerbern beim Eisklettern in Ouray ist in erster Linie geprägt von Respekt. Gekämpft wird gegen die Eiswände, gegen die Uhr und nicht gegeneinander. Die Leidenschaft des Eiskletterns wird von allen Beteiligten bis ins kleinste Detail gelebt. Auch für weniger aktive Besucher ist es ein Schauspiel, die tollkühn in der Vertikalen hängenden Kletterer in bunten Klamotten an der Eiswand zu beobachten. Die Begeisterung ist nicht zu bremsen, die Stimmung ist magisch – egal ob früh morgens im Café oder in der Bäckerei, an den Ständen der Sponsoren oder bei den Ausrüstern.
Extrem-Eiskletterer brauchen ein besonderes Gespür für Temperatur, Sonneneinstrahlung und Wind. Eis ist lange nicht so stabil wie Fels. Geduld und Technik sind oberste Priorität. Eine spezielle Ausrüstung wie Steigeisen mit Frontzacken für Füße und einen Pickel für jede Hand sind notwendig, um an den frostklirrenden Flächen Halt zu finden. Fachwissen und Selbstabsicherung sind oberstes Gebot. Der Reiz des Nervenkitzels und der Ausblick auf ein wahres Wunderwerk der Natur macht die Sportart besonders faszinierend. Das Eis zu bezwingen ist fast schon eine Sucht. Und bei jedem Schritt stellt sich erneut die Frage: Wie dick ist das Eis? Hält die Axt? Sitzt mein Griff? Wer nicht um Preisgelder bis zu $20.000 kämpft, kann in Ouray auch außerhalb der Veranstaltung Anfängerkurse buchen, die von erfahrenen Bergführern begleitet werden. Bringen Sie sich in Form, und auf in die Eisberge! Schon allein die Kulisse der imposanten Eislandschaft ist atemberaubend.
Heiße Quellen
Das Goldgräberstädtchen Ouray wurde nach dem letzten Häuptling der Ute-Indianer benannt, der sich hier niedergelassen hat und den Ort als heilig erklärte, weil es heiße Quellen gab. Diese Begleiterscheinung ist natürlich auch bei Sportlern besonders geschätzt. Was gibt es Schöneres als sich nach einem Tag bei frostigen Temperaturen im 40 Grad warmen Thermalwasser wieder aufzuheizen? Die Quellen sind schwefel- und geruchsfrei. Wohltuende Wärme, Ruhe und Entspannung werden gratis dazu geliefert. Das Anwesen der „Historic Wiesbaden Hot Springs Spa & Lodgings“ verfügt sogar über eine Dampfhöhle mitten im Fels. Die Zauberwelt unter der Erde ist ein Erlebnis, das man kaum in Worte fassen kann. Alltagsstress verschwindet, Verspannungen lösen sich auf und jedes kleine Stimmungstief wird im Ansatz erstickt.
Am Nordende der Stadt, direkt beim Besucherzentrum auf der Main Street, befindet sich auch ein öffentliches Mineralthermalbad. „Ouray Hot Springs Pool and Park“ hat drei Wasserbecken, in denen man sich bei 30-40 Grad Celsius erholen kann, ein Nichtschwimmerbecken mit Wasserrutschbahn, die allerdings nur im Sommer geöffnet ist; Massageraum und Fitnesscenter vervollständigen das Wellnessangebot.
Nicht nur die weiße und heiße Pracht von Ouray fesselt die Besucher, es gibt auch noch andere Sehenswürdigkeiten. Auf der 6th Street des verträumten Städtchens ist das County Museum, das kulturelle Gedächtnis der Vergangenheit. Dort kann man sich in dauerhafter Ausstellung über die heimische Bergbaugeschichte informieren. Das Alchemist Museum auf der Main Street beherbergt eine ausgefallene pharmaziegeschichtliche Sammlung aus der Region mit Exponaten, die bis ins 16. Jahrhundert zurückdatieren. Der Rundgang ist nur mit privater Führung möglich und endet in einem Geschenkeshop, der einzigartige handgefertigte Produkte anbietet. Im dritten Stock kann man eine Penthouse Suite mieten, die eine überwältigende 360 Grad Aussicht auf die Berge hat. Unterkünfte gibt es genügend in Ouray, fast alle haben ihre eigene besondere Note.
Winter Paradies Ouray
Neben Eisklettern ist Ouray und Umgebung ein schneesicheres Winterparadies. Beim Schneeschuhlaufen und Langlauf oder Tourenski entdecken Sie eine wundervolle Märchenlandschaft. Die Routen führen zu unberührten, tiefverschneiten Plätzen. Alles was Sie dazu brauchen, sind warme Stiefel und Trekkingstöcke. Die Ausrüstungen kann man sich selbstverständlich vor Ort ausleihen. Für Anfänger eignet sich der Weg entlang des Uncompahgre River. Der Fluss ist zehn Minuten von der Stadt entfernt und zieht im Sommer abenteuerliche Rafting Fans an. Auch Schneemobil fahren gehört zu den Top Sportarten. Erleben Sie packende Augenblicke unter klarem, blauem Himmel, wenn Sie mit hoher Geschwindigkeit durch den Pulverschnee düsen. Auf Anfänger warten einfache Strecken und die Profis können Routen testen, die absoluten Geschwindigkeitsrausch versprechen. Eines ist sicher: Pulverschnee, wohin das Auge blickt.
Etwa zehn Minuten südlich liegt Top of the Pines bei der ehemaligen Eisenbahnerstadt Ridgway mit weiteren traumhaften, aber etwas anspruchsvolleren Pisten. Im Ridgway State Park kann man mit Wohnmobil und Camper übernachten und auch Jurten mieten. Das besondere Ambiente mit gusseisernem Ofen ist naturverbunden und zugleich romantisch; es erfreut sich im Winter immer größerer Beliebtheit.
Wie überall in den Bergen ist auch in den San Juan Mountains Vorsicht geboten. Die Wetterverhältnisse sind instabil und es besteht erhöhte Lawinengefahr. Wollen Sie sich alleine auf eine längere Tour begeben, sollten Sie unbedingt das Colorado Avalanche Information Center (CAIC) kontaktieren, das über die bestehenden Konditionen Auskunft erteilt. Wer ganz auf Nummer Sicher gehen möchte oder eine besondere Herausforderung sucht, kann sich für alle Wintersportarten auch einen Guide buchen. Die halten komplette Ausrüstungen bereit und bieten sowohl geführte Gruppen- als auch Einzelkurse und Workshops an. Speziell für Tiefschneefahrer lohnt sich ein eigener Guide, der das Terrain kennt und weiß, wo die graziösen Schwünge im weichen Pulverschnee möglich sind. Je nach Können wird ein individuelles Programm zusammengeschnürt. Rund um Ouray finden Sie noch immer das Glück der eigenen Spur, was wohl das schönste für jeden Skifahrer ist. Nicht zu vergessen, phänomenale Pisten und ein grandioses Panorama!
Wildwest Umgebung
Wem das variantenreiche Angebot hier noch nicht genügt, der hat die Wahl einen Tagesausflug nach Telluride zu machen. Nach etwa einer Stunde Autofahrt wartet hier ein vielfältiges Wildwest Areal auf Sie. Wo der Highway 145 endet, beginnt der Spaß. Schwarze und doppelschwarze Buckelpisten und spannende Waldabfahrten sind umgeben von den majestätischen Viertausendern der San Juan Mountains. Die eindrucksvolle Kulisse macht den Ort mit seiner einzigartigen Kombination aus Spas, Top Hotels und ausgefallenen Restaurants zu einem gefragten Ziel. Eine weitere Alternative, nur 45 Minuten von Ouray entfernt, ist Silverton.
Ebenfalls ein Winterwunderland und Geheimtipp für Tiefschnee Fans. Trotz vieler Touristen hat sich der Ort seinen Wildwest-Charakter bewahrt. Eine der berühmtesten Minen, ganz in der Nähe, ist die Old Hundred Gold Mine, die 1872 von den deutschen Brüdern Reinhard, Otto und Gustav Neigold gegründet wurde. Auf einer einstündigen Tour in einem kleinen Güterzug erfährt man alles über die Arbeit unter Tage. Die dritte Möglichkeit ist das Mountain Resort Durango Purgatory, das man in zwei Stunden erreicht. 85 Kilometer Pisten bieten ein non plus ultra Skivergnügen und unendliche Abfahrtmöglichkeiten. Ein weiterer Spaß sind die Pistenraupen, die bis zu zehn Personen zu abgelegenen Hängen bringen, an denen besonders Snowboarder in den unverspurten menschenleeren Tiefenrausch tauchen. Das Städtchen hat noch immer den Charme der Gründerjahre und, wie überall in Colorado, die besten Kneipen für Après-Ski.