Chihuli Garden & Glass

Weltkonzerne wie Amazon, Starbucks, Boeing oder Microsoft haben die Wirtschaft der Pazifikmetropole Seattle im US-Bundesstaat Washington geprägt. Für Touristen bietet die Stadt am Puget Sound aber ganz andere Anziehungspunkte – Chihuly Garden and Glass ist einer davon. Das Museum widmet sich voll und ganz dem beeindruckenden Werk des Glaskünstlers Dale Chihuly.

Chihuli Garden & Glass
@Chihuli Garden & Glass

„Ich lehre Kindern, dass sie jede Farbe und jede Papiergröße nehmen und ihr Werk so gestalten können, wie sie es wollen. Es gibt keine Grenzen und keine Regeln“, soll Dale Chihuly einmal gesagt haben. Die Aussage passt zu ihm. Der 75-Jährige hat sich bei seiner künstlerischen Arbeit mit Glas jedenfalls nie an Grenzen gehalten. Wo ihm die Naturgesetze welche setzten, hat er stets versucht, sie zumindest zu verschieben – häufig mit erstaunlichem Erfolg. Bei einem Besuch im Chihuly Garden and Glass im Seattle Center, direkt unterhalb des Wahrzeichens Space Needle gelegen, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Schier unglaubliche Kombinationen aus dem zerbrechlichen Material hat der Mann im Laufe der Jahrzehnte zusammen mit seinem Team gezaubert. In der Dauerausstellung in seiner Heimat im pazifischen Nordwesten der USA, präsentiert Chihuly seit 2012 einen Querschnitt aus seinen verschiedenen Schaffensperioden.

Chihuly Seattle
@Beate Kreuzer

Doch wer ist dieser Mann, der die Glaskunstszene der USA prägte, wie kein Zweiter? 1941 in Seattles südlicher Nachbarstadt Tacoma geboren, kam Chihuly während seines Studiums der Innenarchitektur mit dem Werkstoff Glas in Berührung. In Wisconsin und Rhode Island setzte er seine Studien fort, ehe er 1968 nach Murano bei Venedig – seit dem 13. Jahrhundert das europäische Zentrum der Glasherstellung – ging. Dort lernte er das Glasblasen. Zurück in den USA etablierte er seine eigene Schule und begründete die Glasherstellung als Kunstform. Seine Werke sind heute in mehr als 200 Museumssammlungen auf der ganzen Welt ausgestellt.

„Welches Genie kam auf die Idee, menschlichen Atem durch ein Metallrohr zu pusten, um eine Blase in einem geschmolzenen Klümpchen Glas zu erzeugen. Ganz zu schweigen davon, dass dieser geschmolzene Klumpen nur aus Siliziumdioxid oder Sand besteht, dem am häufigsten auf der Erde vorkommenden Material, das man nur durch Feuer vom festen in einen flüssigen und wieder in festen Zustand versetzen kann. Für mich ist dies die magischste und geheimnisvollste aller Erfindungen und Materialien, die von der Menschheit entwickelt oder entdeckt wurden. Ich habe schon als kleiner Junge Glas geliebt. Mitte der 1960er Jahre hielt ich in meinem Keller ein Rohr in geschmolzenes, schmutziges Glas und blies eine Blase. Seit diesem Moment nutze ich Glas und Glasblasen dazu, Formen, Farben und Installationen zu kreieren, wie niemand zuvor.“ Diese Selbstbeschreibung Chihulys aus dem Jahr 2000 stellte Anglin Burgard, Kurator für Amerikanische Kunst am Fine Art Museum of San Francisco, an den Anfang eines ausführlichen Aufsatzes über den Glaskünstler. Der begann früh, gemeinschaftlich mit anderen Künstlern im Team zu arbeiten. 1976 verlor er bei einem schweren Autounfall in England die Sehkraft auf dem linken Auge. Seither kann er Gegenstände nicht mehr dreidimensional wahrnehmen oder die Entfernung eines Objektes genau abschätzen. Spätestens nach einem Unfall beim Bodysurfen einige Jahre später – er kugelte sich dabei die Schulter aus – konnte er den Glashahn nicht mehr halten. Seither agiert er eher wie ein Regisseur, dessen Team seine Anweisungen ausführt. „Bei der Glasherstellung herrschen Temperaturen von 1000 bis 1500 Grad. Chihuly arbeitete mit 15 Leuten zusammen, um die hier ausgestellten Werke herzustellen. An manchen Stücken waren fünf oder sechs Leute bis zu acht Stunden beschäftigt. Kleiner Stücke waren dagegen in wenigen Stunden fertig“, erläutert Eileen vom Besucherservice des Chihuly Garden and Glass.

Chihuli Garden & Glass
@Chihuli Garden & Glass

Mit seinen Arbeiten stellte er in Frage, was seit der Erfindung des Glases vor 2000 Jahre galt – dass Glas symmetrisch sein müsse. Warum nicht die Zentrifugalkraft und die Oberflächenhitze nutzen? Er erlaubte dem Material fortan, selbst seine endgültige Form zu finden. Dabei müssen die Glasbläser ihre Handwerkskunst bis an die Grenzen ausreizen, weil Erfolg und Misserfolg einer Arbeit nur wenige Sekunden auseinanderliegen.

Ab 1977 verbrachte Chihuly 15 Jahre damit, ein Dutzend neue Serien wie Körbe, Meeresformen, Macchia (Gebüschformen im mediterranen Raum) oder persische Formen, zu entwickeln. Entstanden sind dabei „einige der wundervollsten Glasobjekte, die jemals gemacht wurden“, schwärmt Mark McDonnwell in einer Beschreibung der Installationen in Chihuly Garden and Glass.

Es präsentiert sich dem staunenden Besucher als eine Zusammenstellung dieser ganz unterschiedlichen Arbeitsphasen des in der Kunstwelt bei weitem nicht unumstrittenen Künstlers. Es befindet sich im Seattle Center unmittelbar unterhalb der weltberühmten Space Needle. Diese war das Wahrzeichen der Weltausstellung von 1962 und bildet nach wie vor den Mittelpunkt des 30 Hektar großen Seattle Centers. Kunst, Erziehung, Tourismus und Unterhaltung werden seither auf dem Gelände geboten. Allerdings gab es immer wieder Veränderungen. So auch 2012 zum 50-jährigen Bestehen. Damals wurde der Fun Forest geschlossen und durch die Dauerausstellung mit den Werken Chihulys ersetzt, die seither unter dem Namen Chihuly Garden and Glass firmiert und dabei neben der Ausstellungshalle auch den vorhandenen Garten und das riesige Glashaus nutzt. In letzterem befindet sich die größte hängende Installation des Künstlers: Eine 30 Meter lange Skulptur, die unter dem Dach schwebt und den Betrachter fast zwangsläufig von dem darüber aufragenden Turm der Space Needle ablenkt.

Chihuli Garden & Glass
@Beate Kreuzer

Auf knapp 1200 Quadratmetern teilt sich die Ausstellungshalle in acht Galerien, die jeweils einem Abschnitt von Chihulys Wirken gewidmet sind. Der Besucher erlebt beim Betreten jedes Raumes einen neuen Wow-Effekt, viele stehen mit vor Staunen offenem Mund vor den Exponaten. Ein absoluter Höhepunkt ist der Sealive überschriebene Raum. Ein undurchschaubares Gewirr an buntem Glas stellt einen nach oben strebenden Wasserstrudel dar, an dem etliche Meerestiere – Quellen, Seesterne, Schalentiere – zu entdecken sind. In einem anderen Zimmer stehen Schüsseln und Körbe aus in allen Farben schillerndem Glas, Blumenblüten oder aus einem Boot herausquellende Kugeln im Mittelpunkt.

Wer sich hier nach einer guten Stunde satt gesehen und die vielfältigen Eindrücke einigermaßen verarbeitet hat, kann sich nach draußen in den fast 1900 Quadratmeter großen Garten am Fuß der Space Needle begeben. Hier sind die Blumen und anderen Pflanzen in den Beeten farblich wie thematisch eng auf die dazwischen gestreuten Glaskunstwerke abgestimmt – in einigen Kugeln spiegelt sich bei günstigem Wetter die Space Needle.

Chihuly Garden and Glass befindet sich im Stadtzentrum von Seattle und ist mit Bussen sowie der Monorail gut zu erreichen.

Chihuly Garden and Glass ist ganzjährig geöffnet, mit unterschiedlichen Öffnungszeiten und Eintrittspreisen.
305 Harrison Street, Seattle, WA 98109

Seattle wird täglich von verschiedenen Fluggesellschaften – meistens mit einem Zwischenstopp – angeflogen. Sowohl Lufthansa wie auch Condor bieten Nonstop-Flüge in die Metropole des US-amerikanischen Nordwestens an. Eine Auswahl an Hotels finden Sie hier

 

 

Seattle Skyline


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