Billy the Kid Trail

William H. Bonney – alias Billy the Kid – lief die Zeit davon! Zwei Wochen zuvor war er für den Mord an Sheriff William Brady zum Hängen verurteilt worden und in weiteren zwei Wochen würde er auf dem Weg zum Galgen sein. In der Zwischenzeit blieb er gefesselt, oft sogar auf dem Boden, im provisorischen Lincoln County Gerichtshaus. Die meisten Männer hätten die Hoffnung aufgeben, nicht aber Bonney.

Auf den Spuren von Billy the Kid

Am 28. April 1881 sah er seine Chance. Pat Garrett, der Bonney’s Freund war, bevor er Lincoln County Sheriff wurde, hat Bonney und die anderen Gefangenen mit den zwei Hilfssheriffs Robert Ollinger und James Bell, alleine gelassen, während er ausritt, um Steuern einzutreiben. Als Ollinger die Gefangenen zum Mittagessen ins gegenüber liegende Wortley Hotel mitnahm, blieb Bell, als einziger Aufpasser, mit Bonney zurück. Der berüchtigte Revolverheld ergriff die Gelegenheit, und bat, die Toilette benutzen zu dürfen.

Was dann geschah, ist, wie so vieles in Bonney’s Leben, unklar. Die einen glauben, dass ein Freund, vielleicht sogar Garrett selbst, eine Pistole für ihn versteckt hatte. Andere wiederum glauben, dass Bonney von Bell davonlief, die Treppen des Gerichtsgebäudes hinauf zum Waffenarsenal rannte und von dort oben auf Bell schoss. Wahrscheinlicher ist es, dass Bonney auf der Treppe herumwirbelte, sich Bell’s Pistole schnappte und ihn erschoss.

Egal wie es geschah, Ollinger hörte die Schüsse. Er sprang von seinem Mittagessen auf und rannte zum Gerichtsgebäude. Unterdessen bediente sich Bonney im Arsenal und holte sich ein Gewehr – angeblich das gleiche, das Ollinger mehrmals benutzte, um Bonney zu schlagen. Bonney steckte seinen Kopf aus dem Fenster im 2. Stock und schrie „Hallo Sheriff”, bevor er ihn erschoss.

Nachdem beide Gesetzeshüter tot waren, gab es für Bonney kaum mehr Widerstand. Im Gegenteil, die Bewohner halfen ihm, ein Pferd zu bekommen und besorgten ein Brecheisen, um ihn von seinen Fesseln zu befreien. Einigen Berichten zufolge, hielt er sich noch 1 Stunde, nachdem er die beiden Hilfssheriffs erschossen hat, dort auf, bevor er dann singend auf seinem Pferd aus der Stadt ritt.

Seit dem Tag hat sich nicht viel geändert in Lincoln, New Mexico. Das Gerichtsgebäude und das Wortley Hotel gibt es, relativ unverändert, immer noch. Die Straße hinunter, findet man das James J. Dolan Haus, den Tunstall Laden und das leere Grundstück, auf dem einmal das McSween Haus stand. Man trifft sogar einige Nachfahren derjenigen, die im Lincoln County Krieg kämpften.

So ziemlich das gleiche gilt für die ganze Region. Der Billy the Kid Trail, eine landschaftlich schöne Strasse im Süden von New Mexico, führt Sie zu einigen der wichtigsten Orte dieser blutigen Geschichte; er bringt Sie aber auch mit den Männern und Frauen zusammen, die heute in der Gegend leben und von denen viele eine starke Meinung haben über das, was in der Gemeinde vor mehr als 100 Jahren passierte.

Auch wenn Lincoln der Höhepunkt dieser Reise ist, empfiehlt sich Ruidoso als Ausgangspunkt, um die Region zu erkunden. Der Ferienort bietet mehr Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurants, als anderswo entlang der Strecke. Außerdem befinden sich dort ein paar Western Museen und Attraktionen.

Starten Sie mit dem Billy the Kid Trail’s Besucherzentrum, in dem Sie Broschüren und Reiseinformationen erhalten und sich auf der Karte, die auf den Fußboden gemalt ist, die Strecke veranschaulichen können.

Gleich neben dem Besucherzentrum befindet sich das Hubbard Museum of the American West (Anm. d. Red. aufgrund Corona temporär geschlossen). Das dem Smithonian angeschlossene Museum beherbergt westliche und indianische Kunst, mehr als 40 Kutschen und Karren sowie lokale Artefakte, darunter eine Pistole und ein Messer, das angeblich aus Bonney’s Besitz stammt. Planen Sie dafür ca. ein, zwei Stunden ein.

Unter den ehemaligen Bewohnern von Lincoln County befanden sich auch Lawrence Gustave Murphy, Emil Fritz, James Joseph Dolan, Alexander McSween und John Henry Tunstall.

Murphy und sein Geschäftspartner Fritz lieferten Rindfleisch, Gemüse und andere Lebens- und Haushaltsmittel nach Fort Stanton und zum örtlichen Mescalero Apache Reservat. Als Fritz krank wurde, verkaufte er seine Anteile an Murphy, der dann wiederum Dolan zum Teilhaber machte.

McSween war der Anwalt, der sich um die legalen Dinge von L.G. Murphy und Co. kümmerte. Nach Fritz’s Tod, wurde er mit der Nachlassverwaltung und den Verhandlungen über die Erlöse aus einer Lebensversicherung für dessen Familie beauftragt. Dieser Prozess dauerte länger als erwartet. Dolan beschuldigte McSween die Gelder in seinem persönlichen Konto zurück zu halten und ermutigte die Familie eine Klage wegen Unterschlagung einzureichen.

Der Richter, ein Sympathisant von Murphy und Dolan, entschied gegen McSween und ordnete die Beschlagnahme seines Eigentums als Zahlungsmittel an sowie einige von Tunstall’s Besitztümer. McSween und Tunstall hatten sich zusammengeschlossen, um gegen Dolan für die öffentlichen Aufträge von Lieferungen nach Fort Stanton zu konkurrieren. Somit war der Grundstein für den Lincoln County Krieg gelegt.

Highways und Meilenmarker

Weiter geht es in Richtung Osten, auf der US 70, raus aus der Stadt. Der historische Meilenmarker 273 steht für Tunstall’s Tod.

Nach dem Urteil wurde ein Trupp zusammengestellt, der einen Teil der Rinder von Tunstall einsammeln sollte. Als er sich weigerte, auch noch seine Pferde herzugeben, erschossen sie ihn. Der eigentliche Tatort befindet sich ein paar Meilen von der Straße entfernt und ist nicht zugänglich.

Nun geht es auf dem Highway US 70 durch San Patricio, einer von Bonney’s beliebtesten Treffpunkte während des Lincoln County Krieges, nach Hondo und dann links, Richtung Norden auf dem Highway US 380. Es ist nicht schwer hier, sich das Zusammenbrauen des Konfliktes in den Ausläufern des Capitan Peaks vorzustellen. Nach Tunstall’s Tod, weigerte sich Brady die Männer, die an seinem Tod mitwirkten, festzunehmen. Daraufhin ernannte Friedensrichter J. Wilson den Vorarbeiter von Tunstall, Richard M. Brewer, als Stellvertreter, der wiederum seine eigene Truppe bildete, sie sogenannten „Regulators”.

Da sie wussten, dass Brady alle Gefangenen freilassen würde, entschieden sie sich, tödliche Gewalt anzuwenden. Die „Regulators” töteten Bill Morton und Frank Baker, dann Sheriff Brady und seinen Hilfssheriff George Hindmann. Bei Balzer’s Mill kam noch Buckshot Roberts hinzu, der jedoch zuvor Richard Brewer erschoss. Dieses Ereignis stellte die Weichen für das, was als nächstes in Lincoln geschah.

Wenn Sie in Lincoln ankommen, machen Sie Halt beim Lincoln State Monument Besucherzentrum und Museum. Dort bekommen Sie einen Überblick über die Gegend, angefangen mit den Vorfahren der Pueblos bis hin zu dem ausgiebigen Teil, der sich dem Lincoln County Krieg widmet. Von dort geht es dann nach Westen bis zum Torreon, einer runden Adobe Struktur, die von den frühen Siedlern genutzt wurden, um sich gegen die Mescalero Apachen zu verteidigen.

Bevor Sie zu Tunstall’s Laden kommen, sehen Sie das leere Grundstück, auf dem einmal das McSween Haus stand. Nach einer fünftägigen Besetzung, setzten Dolan’s Männer und Soldaten aus Fort Stanton im Juli 1878 das Haus in Brand, in der Hoffnung, McSween, seinen Geschäftspartner und einige „Regulators” mit Gewalt aus dem Haus zu treiben. Stattdessen liefen sie davon. McSween starb aber Bonney, Tom O’Folliard und Jose Chavez y Chavez entkamen. Nach allgemeinen Angaben, war dies das Ende des Lincoln Country Krieges, aber Billy the Kid blieb weiterhin ein gesuchter Mann.

Nur die Straße hinunter befindet sich auch heute noch das Wortley Hotel, und gegenüber, steht das Gerichtsgebäude, aus dem Bonney fast drei Jahre später entkommen würde. Ein Marker zeigt an, wo Ollinger starb und ein Einschussloch in der Wand dient als Beweis für die von Bonney abgefeuerten Schüsse, die Bell töteten. Planen Sie ca. 2 Stunden für die Besichtigung des Gerichtsgebäudes und andere historische Gebäude in Lincoln, bevor es weitergeht, nach Fort Stanton.

Fort Stanton

Fort Stanton ist nur ein kleiner Umweg auf dem Highway NM 220. Zusätzlich zu der Rolle, die das Fort im Lincoln County Krieg spielte, diente es als Basis für die Kit Carson Kampagne gegen die Mescalero Apachen, und wurde später der erste Außenposten für General John J. „Black Jack“ Pershing im ersten Weltkrieg. Besichtigen kann man die Offiziersquartiere, Kasernen und das Krankenhaus. Heute finden dort regelmäßig sogenannte reenactments – Nachstellungen – statt bei denen die Schauspieler authentische Kostüme tragen, Kanonen auffahren und Cowboy und Indianer spielen.

Von hier aus kann man entweder weiter auf dem Highway NM 220 zum Highway NM 48 und dann südlich nach Ruidoso hinein fahren oder, auf dem Highway 380 weiter dem Billy the Kid Trail folgen. Auf dem Weg nach Capitan geht es vorbei an der Brewer Ranch; Nachfolger von Richard Brewer besitzen auch heute noch das Land.

Die Kleinstadt Capitan ist die Heimat des Smokey Bear Museums und Parks – eine Hommage an den kleinen Bären, der zum amerikanischen Symbol für die Bekämpfung und Verhütung von Waldbränden wurde. Wenn Sie Zeit haben, ist es einen Besuch wert.

Ansonsten beenden Sie die Rundfahrt in Ruidoso mit einem Dinner im Ranchers Steak and Seafood. Wie der Name schon sagt, serviert das Restaurant herzhafte Steaks und frische Meeresfrüchte; die Hauptattraktion ist aber, besonders für Geschichtsliebhaber, Dallas Draper. Draper, ein Nachkomme von Frank Coe, der damals für die „Regulators” ritt, erzählt vielleicht ein paar Familiengeschichten, z.B. wie Coe Bonney zum Äpfel pflücken anheuerte, und ihn dann wieder feuern musste, weil er sich in den Schlafsälen der Frauen rumschlich.

Oder, er sagt Ihnen, was mit Bonney passierte, als er aus dem Lincoln County Gefängnis ausbrach. Laut Draper, hat Garrett Billy the Kid nicht im Juli 1881 in Fort Sumner erschossen; stattdessen, erschoss er einen Herumtreiber. Billy ist entflohen, entweder nach Mexiko oder England, um mit Tunstall’s Verwandten zu leben.

„Das ist ein Mythos”, sagt der Schauspieler (für historische Nachstellungen, ein sog. Reenactor) und Schriftsteller Jack Shuster. „Garrett tötete ihn. Etwas anderes zu glauben ist science fiction.”

Wer weiß? Nach einem Tag auf den Spuren von Billy the Kid, bleibt die Antwort auf die Frage, was wirklich im Lincoln County Krieg und mit Bonney passierte, ganz alleine Ihnen überlassen.