Abseits der Touristenparks

Der amerikanische Westen hat die größte Ansammlung von Nationalparks in den USA. Yosemite, Grand Canyon, Zion und Arches kennt fast jeder. Aber das sind auch die vollsten und das Gefühl, für das gerade diese Gegend so steht, nämlich Freiheit und Abenteuer, findet man unter den Menschenmassen nicht mehr. Spirit oft the West Magazine hat für Sie einige wunderschöne Nationalparks gefunden, die bei den Einheimischen als Geheimtipp gelten und außer der schützenswerten Natur etwas Unverwechselbares haben: weg von den ausgetretenen Pfaden.

Capitol Reef National Park, Utah

Capitol Reef NP
Photo: Frank Jensen/Visit Utah

 

Capitol Reef liegt im Herzen von Red Rock Country in Süd-Utah. Mit 100 km Länge und nur 10 km Breite gehört er zu den kleineren Parks. 1937 wurde er zum National Monument erklärt. Auf dem Weg vom bekannten Bryce Canyon und nach Arches wird dieses Juwel oft übersehen. Von Westen kommend, folgt man dem landschaftlich sehr reizvollen Highway 21 bis Torrey, dort biegt man auf die 24 ab und ist schon fast am Ziel. Das Kernstück ist die sogenannte „Falte“ oder auch „Waterpocket Fold“, die sich mehr als 100 Kilometer von Süden nach Norden erstreckt. Diese gigantische gekrümmte Falte ist eine Felswölbung, die durch massive Kräfte entstanden ist und aus zahlreichen Schichten von Ablagerungsgestein besteht.

In genau diesem Gebiet gab es das meiste Leben. Ureinwohner und Pioniere siedelten sich entlang des Freemont Rivers an, wo sich auch die Tierwelt aufhielt und es die meisten Pflanzen gibt. Einige Felsmalereien an den Canyonwänden sind Zeugen der Vergangenheit. Pappeln, Weiden und Eschen hinterlassen ein breites grünes Band und im Frühjahr findet man unendlich viele Wiesenblumen. Nur wenige hundert Meter vom Fluss entfernt dominiert schon wieder die Wüste.

Umgeben von knallroten Felsen sind hier wunderschöne Wanderwege und Aussichtspunkte versteckt. Entlang des Highways 24 und der einzigen „Scenic Route“, einer 13 Kilometer langen Straße, ist alles einfach zugänglich. Riesige Wölbungen, bunte Klippen, starre Monolithen oder sich windende Schluchten mit graziösen Bögen, machen die Trails zu einem einzigartigen Erlebnis. Eine Übersicht der Wanderwege bekommt man im Besucherzentrum. Bewaffnet mit Wasser, Sonnencreme und einem Snack machen wir uns auf den Weg zum idyllischen etwa 5 kilometerlangen Cohab Canyon Trail. Nach anstrengendem Anstieg folgt ein moderater Weg. Tolle Ausblicke, ganz besonders auf die löchrigen Felsen, auch „Beehives“ genannt, sind sehr beeindruckend. Im Canyon herrscht absolute Stille und die Felsen leuchten in allen nur erdenklichen Rottönen. Der Ausgangspunkt ist übrigens ganz in der Nähe der kleinen Stadt Fruita, wo die Mormonen früher Obst angebaut haben. Die Obstgärten bestehen noch heute und man darf sich je nach Jahreszeit eine Handvoll Kirschen, Äpfel oder andere Früchte pflücken. Doch nicht nur die Ernte ist ein Höhepunkt, zahlreiche Besucher kommen auch wegen der zauberhaften Obstblüte. Die Obstplantage, inmitten der rauen, roten Felslandschaft, verleiht dem Anblick einen ganz besonderen Charme.

Colorado National Monument

Colorado National Monument
Photo: NPS

Das Naturschutzgebiet liegt im Westen von Colorado. Der Colorado River und seine Nebenflüsse haben hier ein außergewöhnliches Fleckchen Erde geschaffen. Die Landschaft ist etwas anders als man es in Colorado kennt. Der rote erodierte Sandstein erinnert eher an den Süden von Utah. Tiefe Canyons schneiden sich in ein Plateau, das etwa 600 Meter Höhe erreicht.

Auf einer Autofahrt entlang des Rim Rock Drive, einer knapp 35 km langen Panoramastraße, sehen Sie bereits die meisten Besonderheiten der Gegend. Serpentinenartig mit extrem vielen Windungen und durch einige Tunnel schlängelt sich die Straße auf eine Höhe von etwa 2000 Meter und bietet fantastische Ausblicke über weite Ebenen. Am Eingang des Parks kassiert ein freundlicher Ranger 20 USD pro Auto und von nun an geht’s bergauf. An den zahlreichen Aussichtspunkten lohnt es sich anzuhalten, schon allein die Namen wie Distant View, Fruits Canyon View oder Balanced Rock View sind vielversprechend.

Unsere favorisierten Stopps waren Independence Monument, eine schlanke 150 m hohe bizarre Felsnadel, die im Sonnenlicht rostrot schimmert; dann noch die Balanced Rocks, die ausschauen als würden zwei Felsnadeln aufeinander balancieren und jeden Moment zusammenbrechen. Die Erosion hat Gesteinsformationen erzeugt, die in Kombination mit den steil abfallenden Canyon-Wänden jede Menge Möglichkeiten bieten und viel Raum zur Interpretation lassen – jedes Auge sieht eine andere Figur oder gar ein Gespenst im Gestein.

Wer Zeit hat ein wenig zu wandern, sollte das unbedingt tun. Devils Kitchen ist ein leicht begehbarer 1,5 km langer Trail, der im Frühling von Wiesenblumen umgeben ist und Blick auf die intensiv leuchtende Szenerie erlaubt. Steinkiefer, Wacholder und Kakteen sind die typischen Pflanzen auf der Strecke. Außer einem Kojoten, einem Steinadler und einigen Eidechsen sind uns keine Tiere begegnet. Doch in den Felshöhlen wohnen viele verschieden Vogel- und Fledermausarten, die man mit etwas Geduld auch zu Gesicht bekommt. Natürlich gibt es auch Schlangen und Berglöwen, die in der einzigartigen Landschaft, bestehend aus massiven Felsspitzen, Bögen und Steinpodesten, beheimatet sind.

Channel Island National Park, Kalifornien

Channel Islands NP
Photo: NPS

San Miguel, Santa Cruz, Santa Rosa, Anacapa und Santa Barbara sind fünf kleine Inseln, die zusammen den Channel Islands National Park bilden. Dieser Nationalpark gehört zu den weniger bekannten und liegt etwa 30 Kilometer westlich von Ventura, Kalifornien im pazifischen Ozean.

Erreichen kann man die Inseln nur mit Booten oder Flugzeugen, die eine spezielle Lizenz haben. Deshalb heißt es, den Besuch gut vorzubereiten. Auf und um die Inseln kann man sich nur zu Fuß oder mit einem Kajak vorwärts bewegen. Hotels und Einkaufsmöglichkeiten gibt es auch keine, man kann lediglich campen. Trinkwasser steht nur auf Santa Rosa und Santa Cruz Island zur Verfügung. Auf der Fahrt zu den Inseln, zeigt sich ein Kalifornien wie es ganz früher einmal war. Die „Galapagos Inseln Nordamerikas“ mit ihren kargen, steilen und oftmals nebelverhangenen Küsten sind für ihre artenreiche Tier- und Pflanzenwelt berühmt. Sie sind ein Refugium für all diejenigen, die vollkommen abschalten, Einsamkeit und Naturschönheit in vollen Zügen genießen wollen.

Die abgeschiedenste der Inseln ist Santa Barbara. Von blauem Meer umgeben, offenbart sich hier eine bestechende Rundum-Aussicht vom 193 Meter hohen Signal Peak. Neun Kilometer Wanderwege gibt es, die besonders im Frühling von bunten Blumen umgeben sind. Das kleine Eiland beeindruckt mit wunderbaren Kliffs entlang der Küstenlinie. Vogelliebhaber finden hier den seltenen kleinen Wasservogel „Scrippsalk“. Die größte der Inseln ist Santa Cruz mit einer Fläche von 245 Quadratkilometern. Sie befindet sich in Privatbesitz und gehört dem Geschäftsmann Justinian Caire aus San Francisco. Santa Cruz hat die ruhigsten Gewässer, deshalb ist es der beste Platz für eine Kajaktour. Es gibt hunderte von Höhlen zu entdecken, die bekannteste ist die fast 30 Meter breite „Painted Cave“, deren bunte Wände eine absolute Besonderheit sind. Die Farben entstehen durch Mineralien und Flechten. Unbedingt eine Taschenlampe mitnehmen, denn es ist stockdunkel.

Santa Rosa ist die zweitgrößte Insel, auf der man die Knochen des mehr als 13.000 Jahre alten „Arlington Springs Man“ gefunden hat. Die empfehlenswerteste Wanderung ist die zum Lobo Canyon. In den erodierten Sandsteinformationen haben sich die Fossilien des Zwergmammut, einer ausgestorbenen Elefantenart, eingebettet. Eine weitere Seltenheit sind die Torrey-Kiefern, die nur hier und in San Diego wachsen. San Miguel besticht mit der herben Schönheit des Nordpazifiks und hat von den fünf Inseln die extremsten Wetterbedingungen. Außerdem ist sie ein Paradies für Seehunde und Seelöwen. Anacapa liegt dem Festland am nächsten und besteht aus drei kleinen Inseln, die alle vulkanischen Ursprungs sind. Pelikane und Seevögel finden ideale Brutbedingungen. Am Ostende befindet sich der aus der Brandung entstandene imposante Steinbogen „Arch Rock“.

Die Fahrt zu den Inseln mit dem Boot ist ein eindrucksvolles Schauspiel. Wir hatten das Glück, von Delfinen begleitet zu werden, die fröhlich am Boot entlang gesprungen sind. Mitte Mai bis September besteht auch die Chance Blau,- Buckel-, oder Grauwal zu sehen.

Chaco Culture National Historical Park, New Mexico

Chaco Culture National Historic Park
Photo: NPS

 

In New Mexico gibt es mehr Spuren der Vergangenheit zu entdecken als man denkt. Das geheimnisvolle Erbe der Ureinwohner ist im Chaco Canyon bis heute lebendig. Der Park liegt dreieinhalb Stunden nordwestlich von Albuquerque, beherbergt Wohnkomplexe der Pueblo Indianer aus den Jahren 850 bis 1250 und zählt zum Heiligen Land der Stämme. Aufgrund der Tatsache, dass das Gebiet spärlichen Niederschlag aufweist und der Chaco River die meiste Zeit des Jahres kein Wasser trägt, erwartet man in der Hochwüste nicht unbedingt ein Zentrum der frühen Pueblo Kultur.

Doch der Canyon war seit seines Bestehens Zentrum für spirituelles und zeremonielles Geschehen und auch der Mittelpunkt eines Straßennetzes, von dem man bis heute nicht weiß, ob es Transportwege oder Prozessionsstraßen waren. Die weitläufigen, labyrinthartigen Ruinen und deren Bauweise zeugen von großem Wissen über Geometrie, sowie Statik und Planung. Als Baumeister haben die „Chacoaner“ Großartiges geleistet. Einige Bauwerke haben eine exakte Ausrichtung in die Himmelsrichtungen, was auf Kenntnisse in der Astronomie hinweist. Bis heute ist nicht genau klar, ob Chaco Canyon ein Waren- oder Verteilzentrum, eine rituelle Pilgerstätte oder Hauptstadt eines Indianerstaates war.

Das Kerngebiet erstreckt sich über eine Länge von 15 Kilometern, indem sich 13 sogenannte Großhäuser befinden, die bis zu fünf Stockwerke und 650 Räume hatten. Wie das Verhältnis zwischen Großhaus und kleineren Pueblos war, ist nicht bekannt. Fragen wie, „gab es eine Klassengesellschaft“, sind ebenfalls ungeklärt. Pueblo Bonito ist das eindrucksvollste mehrstöckige Wohnhaus des vorkolumbischen Nordamerikas. Die Grundfläche soll fast so groß sein wie das Kapitol in Washington. Gehauene Sandsteinblöcke, aus umliegendem Felsen gebrochen, und Holz aus einem Wald, der 80 Kilometer entfernt ist, lässt ebenfalls die Frage offen, wie der Transport erfolgte.

Nehmen Sie sich genügend Zeit, die verlassenen und gut erhaltenen Bauwerke, sowie die grandiose Landschaft anzuschauen. Für alle Wanderwege im Areal ist eine Genehmigung erforderlich, die im Besucherzentrum erhältlich ist. Nach Sonnenuntergang werden Vorträge am Lagerfeuer angeboten und es ist einzigartig an einem solch historischen Ort den sternenklaren Himmel auf sich wirken zu lassen.

 

Theodore Roosevelt National Park, North Dakota

Theodore Roosevelt NP
Photo: NPS/Janice Shanks

Dieser Park ist nach dem 26. Präsidenten der USA benannt. 1883 kam er zur Bisonjagd nach North Dakota und die majestätische Landschaft begeisterte ihn so sehr, dass er bei Amtsantritt als großer Vorreiter mit Umweltschutz begann und den sogenannten U.S. Forest Service gründete, um Tiere und Landschaft zu bewahren. Die Liebe zur örtlichen Natur führte dazu, dass er dort später eine Rinderranch betrieb. Die „Elkhorn Ranch“, im südlichen Teil, wurde sein Hauptwohnsitz in den hügeligen Badlands, was so viel wie schwer zu erschließendes Land heißt. Heute sind nur noch Grundmauern der Gebäude vorhanden.

Der 285 Quadratkilometer große Park, im Übrigen der einzige der National Parks, der eine Person ehrt, besteht aus der South- und North Unit. In beiden Teilen wurden Lehrpfade und Wanderwege angelegt. Im südlichen Teil können bei der „Peaceful Ranch“ Pferde gemietet werden. Noch besser, in einem Schutzgebiet finden Sie freilebende wilde Mustangs. Die zu erspähen heißt früh aufstehen. Diese Wildpferde hier haben keine große Scheu vor Menschen. Und ich hatte Glück, plötzlich sah ich eine kleine Herde, hintereinander laufend auf einem Pfad den Hang hinauftraben. Einige Meter vor mir bleiben sie stehen, schauen mich an, sondieren die Lage – und laufen dann links und rechts an mir vorbei. Als Pferdeliebhaber genoss ich natürlich diese kleine Einlage.

Vom südlichen bis zum nördlichen Teil kann man auf dem Little Missouri River mit Kanus oder Schlauchbooten 200 km lang durch einsame Wildnis fahren. Der Fluss hat tiefe Canyons in das weiche Gestein gefurcht und die verschiedenen Schichten verleihen der Landschaft ein abwechslungsreiches Aussehen. Am Ufer erstreckt sich sattes Grün und die Pappeln rauschen im Wind. Ein knapp zwei Kilometer langer Weg führt durch den Painted Canyon, wo die Farbveränderungen der vielen Gesteinsschichten besonders beeindruckend sind. Je nach Lichteinfall bietet sich ein prächtiges Farbenspiel.

Weiter geht es mit dem Auto im nördlichen Teil auf dem „Scenic Loop Drive“ und gleich zu Beginn versperren ein paar Büffel die Straße. Jetzt ist Geduld angesagt, das Schauspiel genießen und einfach abwarten, bis die Straße wieder freigegeben wird. Währenddessen beobachte ich die niedlichen Präriehunde, Verwandte unserer Murmeltiere, die neugierig in alle Richtungen schauen. Weiter geht die gute Fahrt, dramatische Canyons, weite Ebenen und schroffe Badlands bieten eine unglaubliche Naturkulisse. Keine Wunder, dass Theodore Roosevelt von dieser Region verzaubert war.

Titelbild: Frank Jensen/Visit Utah

 


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