Refugium für Natur- und Tierliebhaber
Vergeblich auf Schnee setzt man im Snow Canyon im südwestlichen Teil des US-Bundesstaates Utah. Trotzdem bietet der im Jahre 1959 gegründete State Park seinen Besuchern einzigartige Eindrücke, bizarre Felsformen und feuerrote Farben. Er ist weniger bekannt, dafür aber um so sehenswerter. Mit nur knapp 30 Quadratkilometern ist er einer der kleinsten Nationalparks in den Vereinigten Staaten. Er lockt nicht mit Schnee, sondern mit roten, weissen und schwarzen Felsen, roten Sanddünen und über 60 Kilometern Wanderwegen und Kletterfelsen.
Seinen Namen erhielt er vom fünften Mormonenführer Lorenzo und dessen Bruder Erastus Snow, die um 1890 in der Gegend lebten und den Canyon entdecken, als sie nach weggelaufenem Vieh Ausschau hielten. In den Jahren 200 bis 1250 lebten die Anasazi Indianer im Umkreis und nutzen das Areal in erster Linie als Jagdgebiet für Dickhornschafe. Ihre wichtigste Waffe war eine Speerschleuder (Atlatl), die später durch Pfeil und Bogen ausgetauscht wurde. In diesem Zeitabschnitt lebten die Anasazis hauptsächlich in unterirdischen Grubenhäusern. Als die Anasazi weiterzogen, folgten die Paiute Indianer, die von 1200 bis Mitte 1800 hier lebten. Sie ehrten besonders die mythischen Kräfte der Natur. Zwischen den roten Felsen feierten sie ihre spirituellen Zeremonien.
Trotz der kargen Vegetation bietet der Snow Canyon zahlreiche Naturschönheiten. Der rote Navajo-Sandstein ist das Hauptmerkmal des Nationalparks und entstand aus einem der ältesten Sanddünen-Gebiete der Welt. Die roten Steine, deren Färbung durch einen hohen Gehalt an Eisenoxid entsteht, haben zahlreiche weisse Stellen. Geologen vermuten, dass diese aus Kohlenwasserstoffen entstanden, die sich aus dem Stein verflüchtigten und dabei rote Pigmente auflösten. Da Kohlenwasserstoff ein Treibhausgas ist, hat dieser Vorgang zur damaligen Zeit aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Erwärmung des Erdklimas beigetragen. Die Farbgebung der Felsformationen ist sehr ungewöhnlich und absolut atemberaubend. Vulkanausbrüche vor ca. 2000 Jahren sorgten dafür, dass die Gipfel mit schwarzer Lava überzogen sind.
Natur Pur
Fährt man auf der rund sechs Kilometer langen gepflegten Strasse durch den Park, bewundert man durchgehend die unberührte Natur. Der rot-weisse Navajo-Sandstein begeistert jeden, der dieses versteckte Juwel entdeckt. Um den Park wirklich erleben zu können, sollte man das Auto abstellen und eine kleine Wanderung in die Wildnis wagen. Die hügelige, sanfte Landschaft mit ihrer erodierten, rundgeschliffenen Struktur und einem einzigartigen Farbenspiel besticht alle Naturliebhaber. Egal was man favorisiert, der Park bietet hervorragende Möglichkeiten, um vielseitige Naturwunder zu erleben. Wanderwege und Klettertouren mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden sind zwischen einem und zehn Kilometer lang. Die Trails lassen sich auch bestens per Fahrrad oder auf dem Rücken der Pferde erkunden.
Obwohl die sandigen Böden mit geringer Wasserspeicherkapazität kein ideales Umfeld für üppiges Pflanzenvorkommen sind, gibt es viele anspruchslose Arten. Yuccas, Salbeisträucher, Blackbrush, ein Strauch aus der Familie der Rosengewächse, der bis zu 15 Metern hoch werden kann und eine für die Indianer noch immer wichtige Pflanzenart, der Creosote Bush (Kreosotbusch). Die Blätter riechen sehr stark nach Kreosot, einem heutzutage nicht mehr verwendeten Holzschutzmittel. Die Indianer nutzen das Destillat der Blätter noch immer als Allheilmittel. Die Pflanze ist einer der weitverbreitetsten Sträucher in den Wüsten Nordamerikas und kann bis zu 1200 Jahre alt werden. Ein verzweigtes Wurzelsystem, direkt unter der Bodenoberfläche, sorgt dafür, dass Niederschläge schnell aufgenommen werden. Bei extremer Trockenheit verlieren sie die Blätter und verfallen in eine Art Ruhezustand, bis es wieder regnet. Die gelben Blüten, die in Wickeln am Zweigende hängen, blühen nur einen einzigen Tag.
Faszinierende Tierwelt
Drei der in den Vereinigten Staaten bedrohten Tierarten leben im Snow Canyon. Tierliebhaber aus aller Welt besuchen die Region, um das weite, wilde Land und die Fauna in ihrer natürlichen Umwelt zu erkunden. Wüstenschildkröten, der Wanderfalke und das Gila Monster, eine giftige Krustenechse, finden Unterschlupf in den Felsen, Schluchten und Höhlen. Die Tierwelt zieht einen Grossteil der Besucher an. Häufig findet man in den Morgen- und Abendstunden hinter einer Felsgruppe Hobbyfotografen, die geduldig auf der Lauer liegen, um einen Schnappschuss, der vom Aussterben bedrohten Arten zu erlangen.
Das Gila Monster, auch Gila Krustenechse genannt, bekam ihren Namen vom Gila Fluss im Südwesten der USA. Man findet sie auf Meeresniveau, aber auch bis in Höhen von 1500 Metern. Sie sind dämmerungs- und nachtaktiv und halten sich tagsüber in Erdhöhlen oder unter Steinen auf. Sie verbringen neunzig bis fünfundneunzig Prozent ihres Lebens in Verstecken. Aufblühen tun sie im Frühling, wenn das Nahrungsangebot am grössten ist. Der Kopf ist breit und massiv, die Augen sind winzig, die Beine kurz und sie erreichen eine Länge von bis zu 70 Zentimetern. Der kräftige Schwanz dient in Zeiten der Nahrungsnot als Fettreserve. Die Echse passt sich der Umgebung an und ihre Grundfärbung ist schwarz und die Punkte auf einer Art Knochenhaut reichen von rosa bis rot über orange und gelb. Die Zähne haben eine Länge von acht bis zehn Millimetern. Sie ernähren sich von Vogel-und Reptilieneiern. Der Stoffwechsel ist niedrig, so kann sie mehrere Monate ohne Futter leben. Die Weibchen legen bis zu 15 Eier im Sand ab und innerhalb eines Monats entwickeln sich die Jungen. Die Echsen können bis zu 30 Jahre alt werden. In den Unterkieferzähnen erzeugen sie ein Gift, das nicht wie bei Schlangen durch Hohlzähne injiziert wird, sondern in einer Kerbe im Unterkiefer entlangläuft und mit Massagebewegungen des Kiefers in das Opfer geschleust wird. Ein Biss ist für gesunde Menschen nicht lebensgefährlich, gilt aber als extrem schmerzhaft und kann zu Schwindelgefühlen und Halluzinationen führen. Das Gila Monster beisst nur zu, wenn man zu nahe kommt und warnt durch Fauchen und Zischen. Wer mit einem Biss ins Krankenhaus eingeliefert wird muss mit einer Strafe rechnen, da die Echse nur zubeisst, wenn sie gereizt wird. Das Gift dient als Vorlage zu einer synthetischen Version, die gegen Diabetes eingesetzt wird.
Die Population der Wüstenschildkröte hat sich stark reduziert, aber im Snow Canyon findet sie geschützten Lebensraum. In ihrem Unterschlupf in der Gegend ist sie perfekt behütet vor Buschbränden und extremen Temperaturen. Auf Futtersuche begeben sich die gepanzerten Reptilien meist nicht in der Tageshitze, sondern bei Anbruch der Dunkelheit. Den Winter verbringen sie mit begrenztem Stoffwechsel in ihren Erdhöhlen. Zur Nahrung gehören Gräser, Kräuter, Kakteen und deren Früchte und Blüten. Da die Tiere den grössten Teil ihres Wasserbedarfs aus Pflanzen bekommen, können sie monatelang ohne Flüssigkeit leben. Sie können bis zu einem Jahr ohne Wasser leben. Während der Paarungszeit durchleben die Männchen harte Zeiten. Sie kämpfen um ihre Liebste und wer es schafft den Gegner auf den Rücken zu werfen, kann sich in aller Ruhe mit der Umworbenen aus dem Wüstenstaub verziehen. Drei bis vier Monate später werden in der unterirdischen Höhle Eier gelegt, die mit Erde bedeckt werden und nach achtzig bis hundert Tagen schlüpfen.
Der Wanderfalke zählt zu den schnellsten gefiederten Jägern der Welt. Im Reich der Lüfte liegt sein Geschwindig-keitsrekord bei 100 kmh. Beim Angriff auf seine Beute im Sturzflug erreicht er sogar eine Geschwindigkeit von 250 kmh. Als Brutplatz suchen die Tiere die roten Sandstein-Felsnischen im Canyon auf. Das Gelege von drei bis vier Eiern wird ohne Nistmaterial ausgebrütet. Das Weibchen bewacht die Eier, das Männchen sorgt für Futter. Wegen seiner räuberischen Lebensweise geriet der Wanderfalke in Verruf. Viele Vogelzüchter machten ihn für den Verlust von Jungtieren verantwortlich und stellten dem Übeltäter nach. Auch Schädlingsbekämpfungsmittel setzten den Vögeln zu, was zur Folge hatte, dass die Eier eine zu dünne Schale hatten und zerbrachen. Glücklicherweise erholen sich die Bestände langsam.
Klettern ist neben der Tierwelt eine der Hauptattraktionen. Wie so oft, wenn man Besuch von Freunden bekommt, begibt man sich auf Abenteuer, die man niemals erwartet hätte. Ich habe mir eine ganze Ausrüstung geliehen und begebe mich auf eine Klettertour. Der Rucksack ist vollgepackt mit allem was man brauchen kann. Karabiner, Klemmkeulen, Gurte, Express-Schlingen und mindestens genauso vielem, was man nicht braucht. Meine Freunde sind erfahrene Kletterer, Kletterstunden habe ich auch genommen, also kann eigentlich nichts schief gehen. Aber die Wirklichkeit ist wie so oft eine andere. Am ersten Tag machen wir uns mit dem Gebiet vertraut, wärmen uns auf und begeben uns auf kleine Touren mit Klettereinlagen. Am zweiten Tag geht es dann richtig los. Nach kurzem Aufstieg durch ein rotes Sandstein-Geröllfeld stehen wir am Fusse einer Felsgruppe, die es zu bezwingen gilt. Der Spass beginnt! Wir wählen eine Trad Route, die dem europäischen Alpineklettern gleichzusetzen ist, aber den Vorteil des meistens blauen Himmels hat. Das Gelände ist übersichtlich, mit einzelnen Sektoren, die manchmal zwischen Wänden und Blöcken auf unterschiedlichen Ebenen verlaufen, aber die Kletterei an den zwanzig Meter hohen Wänden ist durchaus lohnenswert, wenn es da nicht versteckte Lebewesen gäbe, denen man nicht so gerne begegnet.
Ich erstarre in Ehrfurcht als sich vor mir eine Klapperschlange (Mojave Sidewinder) in Drohposition aufbäumt, rasselt und mir sagen will: „Du bist in mein Revier eingedrungen, also verschwinde bitte!” ich bleibe, so wie ich es gelernt habe, ruhig stehen, denn Schlangen reagieren auf Bewegung und ich hoffe das Beste. Wie im Lehrbuch verschwindet mein Feind unter einem Felsen. Ich kämpfe mich mit zitternden Knien tapfer weiter in die Höhe und erreiche den mit schwarzer Lava überzogenen Gipfel, der von der Sonne aufgeheizt ist. Eine kräftige Brise sorgt für ein wenig Abkühlung. Die Anstrengung wird mit einem Blick auf wüstenrobuste Pflanzen wie Yuccas und Wüsten-Beifuss belohnt. Für das Wildblumen-Blütenmeer, das im April Mai seine Hochsaison hat, sind wir leider zu spät. Zwischen roten Felswänden und griffigem Sandstein seilen wir uns in winzigen Mäuseschritten ab. Klettern im Snow Canyon ist ein einmaliges und zugleich lohnenswertes Erlebnis. Um meine tierische Begegnung zu vergessen, geht’s zur Stärkung auf in die zwölf Kilometer entfernte nächste Stadt.
St. George liegt in unmittelbarer Nähe des Parks und ist ein beliebter Ausgangspunkt für Touristen, die nach Utah reisen. Eingebettet in die Natur, bietet der Ort mit seinen etwa 75.000 Einwohnern alles, was das Herz begehrt. Abwechslungsreiches Kulturprogramm, Shopping und auch Kulinarisches. Die grösste Veranstaltung unter freiem Himmel ist der jährliche Marathon, der Tausende von Läufer anzieht.
1954 entdeckte die Filmindustrie St. George und der Ort diente als Kulisse für so manch Hollywood-Streifen. Die Aussenaufnahmen zum Film „Der Eroberer” (The Conqueror) mit John Wayne in der Hauptrolle wurde hier gedreht, später dann Streifen wie „Butch Cassidy and the Sundance Kid” mit Robert Redford und Paul Newman, „Der Teufel auf Rädern” mit James Brolin und auch Steven Spielberg benutzte die attraktive Kulisse für „Jurassic Park”.
Snow Canyon ist eines der Highlights des Südwestens der USA. Der Park fasziniert mit einer malerischen Felslandschaft, weiter Wüste und einzigartigen Naturschauplätzen. Die roten, weissen und schwarzen Schattierungen der Berge bieten zu jeder Jahreszeit herrliche Lichtspiele. Passionierte Tierliebhaber kommen voll auf ihre Kosten, denn Snow Canyon ist ein perfektes Refugium für viele Vogel-und Reptilienarten.
Am schnellsten erreicht man Snow Canyon von Las Vegas aus. Von dort sind es ca. 1 ½ Std. nach St. George. Alternativ kann man auch nach Salt Lake City fliegen; von dort aus sind es allerdings ca. 4 ½ Std. Fahrzeit.
Der Park ist täglich von 6 Uhr morgens bis 22.00 Uhr geöffnet. Eintritt: $15 pro Fahrzeug für bis zu 8 Personen.