Theodore Roosevelt Nationalpark

Als Theodore Roosevelt 1883 ins Dakota Territory zum Bison jagen kam, war er ein junger, dünner Kerl aus New York. Er hatte keine Ahnung, wie sein Abenteuer in dieser abgelegenen und unbekannten Gegend den Verlauf der Nation für immer verändern würde. Die zerklüftete Landschaft und das anstrengende Leben, dass der spätere Präsident hier erlebte, ist ein großer Grund, dass wir uns an diesem Naturschutzgebiet, dem Theodore Roosevelt Nationalpark, auch heute noch erfreuen können.

„In den alten Tagen sind wir in die Hügel gezogen und haben die Mustangs zusammengetrieben. Die waren wirklich wild.” Die Augen von Lyle K. Glass leuchteten, wenn er von seiner Arbeit als Cowboy und von den Wildpferden im Theodore Roosevelt Nationalpark im Westen von North Dakota erzählte.

Cowboy Lyle

„Cowboy Lyle”, wie Glass allgemein genannt wurde, war eine Institution in Medora. Dem im Winter kaum 100 Einwohner zählenden Ort, 220 Kilometer westlich der Staatshauptstadt Bismarck, fehlt es wahrlich nicht an Attraktionen. Museen, das Medora-Musical auf der Freilichtbühne und der pittoresk in den Badlands am Little Missouri River angelegte Bully Pulpit Golfplatz treten im Vergleich zum Theodore Roosevelt Nationalpark in den Hintergrund. Das 285 Quadratkilometer große Schutzgebiet ist dann auch unser erstes Ziel. Oder genauer gesagt: die dort lebende Herde Wildpferde. Wenn jemand sagen konnte, wann und wo die Tiere am ehesten anzutreffen sind, dann war es Lyle. Sein Tipp: „Die beste Zeit ist früh am Morgen.” Cowboy Lyle starb leider vor ein paar Jahren.  Aber, Lyles Worte klingen uns immer noch in den Ohren.

Zu Ehren eines Präsidenten

Es ist bereits 8.30 Uhr, als wir aufbrechen. Der Theodore Roosevelt Nationalpark, dessen South Unit gleich am Ortsrand beginnt, wird durch eine 50 Kilometer lange Ringstraße erschlossen, die zu etlichen Aussichtspunkten führt. Sind wir vielleicht schon zu spät dran? Wir stehen am Boicourt Overlook, den man uns als verheißungsvoll gepriesen hat, und genießen den Ausblick über die unwirkliche Landschaft der von Wind und Wasser geformten Badlands. Erstaunt schauen wir zu, wie sich wenig später tief unter uns im Tal eine Herde Pferde in Bewegung setzt. Für diese Feral Horses – also Pferde, deren Vorfahren von Menschen gezähmt waren – ist der Roosevelt Nationalpark bekannt. Nach und nach begegnen wir einem halben Dutzend Gruppen Pferde. Sie kommen hintereinander laufend auf einem Pfad den Hang hinaufgetrabt, bleiben einige Meter vor uns stehen, schauen uns an, sondieren die Lage – und laufen dann links und rechts an uns vorbei.

Wilde Pferde Theodore Roosevelt NP

Wilde Pferde sind im Westen North Dakotas schon seit dem 19. Jahrhundert beheimatet. Der spätere US-Präsident Theodore Roosevelt, der in der Nähe von Medora in den 1880er Jahren eine Ranch betrieb, schrieb: „An vielen Orten sind wilde Pferde zu finden, die ausnahmslos entweder von einer Ranch oder von Indianern weggelaufen sind oder aber solche Tiere als Vater- oder Muttertier haben. Sie sind so wild wie die Antilopen, in deren Gebiet sie eingedrungen sind.”

Bis 1947 der Nationalpark gebildet wurde, ließen Rancher ihre Rinder in dem Gebiet grasen. 1954 wurden 200 Pferde mit Brandzeichen aussortiert. Cowboys aus der Gegend fingen sich oft einige der Wildpferde, um sie auf der Ranch oder bei Rodeos zu reiten. Der Nationalparkverwaltung waren sie allerdings ein Dorn im Auge. Erst Anfang der 1970er Jahre änderte sich diese Politik, obwohl wilde Pferde von den Rinderzüchtern weiterhin als Ärgernis angesehen wurden. Die Behörde betrachtet sie inzwischen als historischer Bestandteil dieser Wildnis.

Steife Beine, riesige Köpfe und andere Missbildungen sind Anzeichen von Inzest. Deshalb wurde in den 1980er Jahren in der Herde für eine Blutauffrischung gesorgt. Der Nationalparkservice hat Hengste der Rassen Araber, Quarterhorse und Thoroughbred ausgesetzt, um andere Gene in die Herde zu bringen. Es gibt noch einen anderen Punkt, auf den die Verwaltung großen Wert legt. Sie will die Zahl dieser Mustangs zwischen 100 und 150 stabil halten, indem sie alle paar Jahre die Tiere zusammentreiben lässt, um einige meist jüngere Pferde auszuwählen, die dann versteigert werden.

So war es auch im letzten September. Auf 213 Tiere war die Herde angewachsen. 103 davon wurden verkauft, 94 durften zurück in die Freiheit. „16 Pferde sind nicht mit zusammengetrieben worden. Einige haben sich versteckt, eine Stute war hochträchtig und auf einige ältere Tiere hatte man es gar nicht erst abgesehen”, berichtet Deb Fjetland, die sich als stolze Besitzerin von sechs aus dem Theodore Roosevelt Nationalpark stammenden Wildpferden bezeichnet. Sie ist glücklich, dass die Organisation North Dakota Badlands Horse ihr Ziel erreicht hat: „Wir wollten verhindern, dass einige Pferde im Schlachthof landen, und dafür Sorge tragen, dass sie ein gutes Zuhause finden.” Die Auktion findet dermaßen Anklang, dass der Platz in der dafür vorgesehenen Scheune nicht ausreicht und die Versteigerung ins Gemeindezentrum der kleinen Ortschaft Wishek übertragen wird. Bis zu 2800 Dollar legen die Käufer auf den Tisch; im Durchschnitt kostet ein Wildpferd an diesem späten Septembertag 550 Dollar. „Das sind die besten Pferde, die es gibt. Sie haben starke Füße und brauchen keine Hufeisen. Sie sind mit gutem Heu leicht zu halten”, schwärmt Deb Fjetland.

Wir hatten heute jedenfalls Glück, dass uns die Herde entgegenkam. Wir blicken den Mustangs hinterher, bis sie hinter dem nächsten Bergkamm verschwunden sind.

Theodore Roosevelt Nationalpark

Am nächsten Morgen bringt uns Fred Walker schon früh zum Wind Canyon. Im Tal umfließt der Little Missouri River eine mit Bäumen und Sträuchern bewachsene Halbinsel. Hinter uns kündigt über einer Felskante eine leichte Rötung den bevorstehenden Sonnenaufgang an. Ganz langsam wird es heller. Die Felsen auf der anderen Seite der Schlucht schimmern in den verschiedensten Rot- und Brauntönen und spiegeln sich im Fluss wider. Tiere lassen sich keine sehen abgesehen von einem Stachelschwein und einigen Rehen. Trotzdem ist es nicht still: Wir hören Vögel zwitschern und später heult ein Kojote. Mehrere Hirsche scheinen sich über den Fluss hinweg zu unterhalten. Auf der Halbinsel liegt ein Büffel, der sich schließlich als Strauch entpuppt. Hinter uns ist der Himmel inzwischen glutrot, als die Sonne über den Badlands etwas höher steigt.

Der Südteil des Roosevelt Nationalparks ist geprägt von kaum bewachsenen Plateaus sowie zahlreichen Klüften und Schluchten, die in allen Farben schimmern. In der Nähe des Cottonwood Campingplatzes am Little Missouri treffen wir auf Büffel. Dabei müssen wir zwei Bullen ausweichen, die sich von ihrer an die hundert Tiere zählenden Herde abgesetzt haben und mit den Köpfen gegeneinander rennen. Sie kämpfen die Hierarchie aus. Währenddessen ziehen die Kühe und Kälber friedlich durch das Tal und knappern gemächlich am Gras. Auch in anderen Gegenden des Parks ist der Anblick einer Büffelherde keine Seltenheit. Im Gegenteil: Oft sorgen sie für Staus, weil sie sich nicht um Autos oder fotografierende Touristen kümmern.

Bison @ Theodore Roosevelt NP

Die Badlands von North Dakota machen natürlich nicht an der Grenze des Nationalparks halt. Sie bestehen auch nicht nur aus schlechtem Land, wie der Name vermuten lässt. Sie bieten vielmehr große Flächen saftigen Weidelandes, das seit dem 19. Jahrhundert für die Rinderzucht genutzt wird. Auf der anderen Seite von Medora bieten die braunen Felsen den bizarren Hintergrund für einen Golfplatz. Der Bully Pulpit Golf Course wurde von einem Fachmagazin als einer der landschaftlich reizvollsten Plätze des Landes bezeichnet. Das 18. Loch etwa liegt am Little Missouri an einer Stelle, wo 1876 General Custer mit seinen Soldaten der siebten Kavallerie auf dem Weg zur Schlacht am 250 Kilometer südwestlich gelegenen Little Bighorn sein Lager aufgeschlagen hatte. Andere Löcher werden auf den Hügeln gespielt, wobei zwischen Abschlag und Green ein Höhenunterschied von bis zu 50 Metern oder aber eine Schlucht zu überwinden ist. Das saftige Grün des Golfplatzes sticht besonders im Spätsommer hervor. Die Bewässerungsanlagen werden aus eigens angelegten Teichen geholt.

Der Name Bully Pulpit geht auf den berühmtesten Einwohner des Ortes zurück: Theodore Roosevelt. Er suchte die Ruhe und Abgeschiedenheit North Dakotas, gründete eine Ranch und widmete sich der Rinderzucht, ehe er wieder in den Osten zurückkehrte und Karriere machte. Er wurde Gouverneur von New York, Vizepräsident und schließlich der 26. Präsident der USA. Alles, was er besonders schön oder toll fand, bezeichnete T. R. als „bully”. Den Begriff „Bully Pulpit” hat er in Bezug auf das Präsidentenamt formuliert, das er als Plattform ansah, von dem aus er Themen ansprechen konnte.

Sein Name ist noch heute in Medora allgegenwärtig. So wird seine Lebensgeschichte im Sommer in der Old Town Hall täglich als Ein-Mann-Theaterstück „Bully the Play” aufgeführt. Viel populärer ist das „Medora-Musical”, dass seit 1965 gespielt wird und jährlich 100.000 Zuschauer in das Amphitheater am „Burning Hill” zieht. Die Stücke wechseln, der Inhalt dreht sich aber immer um Wildwestromantik, Liebe, Patriotismus und – natürlich – T. R.

Theodore Roosevelt National Park

Theodore Roosevelt Nationalpark
Der Park ist in drei Bereiche unterteilt: South Unit, North Unit und Elkhorn Ranch. Er ist ganzjährig geöffnet; je nach Wetterlage kann es jedoch sein, dass die South und North Unit wegen Schnee und Eis geschlossen werden.
Eintritt $30 pro Fahrzeug, gültig für 7 Tage. Auch der America the Beautiful Pass gilt, den man entweder am Eingang zum NP bekommt ($80), oder online reservieren kann unter www.store.usgs.gov/pass.

Mehr Info gibt es unter www.nps.gov/thro

Photos: Beate & Walter Kreuzer; Theodore Roosevelt NP


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