Wo kann man heutzutage noch Cowboys sehen, die peitschenknallend eine mehr als 1000-köpfige Herde Büffel vor sich her treiben? Das Buffalo Roundup im Custer State Park ist wohl die einzige Möglichkeit, ein solches Ereignis live zu verfolgen. Wenn der Staub aufgewirbelt wird, die Erde zu beben scheint und eine Welle aus zotteligen Fellrücken – getrieben von Cowboys auf schnaubenden Pferden – über die Prärie jagt, fühlt man sich leicht in den Wilden Westen versetzt.
Prärie, nichts als Prärie, dachte ich mir bei meinem ersten Besuch in South Dakota. Weites, flaches Land, stundenlanges Dahinfahren auf dem Highway, hin und wieder ein paar Hütten und Häuser, die einen dann doch erahnen lassen, dass es hier Leben gibt. Gott sei Dank ist dies nur ein kleiner Teil von South Dakota. Die aufregende und schöne Seite dieses Bundesstaates habe ich bei meinem letzten Besuch kennen gelernt. Dieses Mal war ich so fasziniert, dass ich mir sogar vorstellen könnte, dort zu leben – wenn’s nicht diese -25C Grad kalten Winter gäbe.
Der Höhepunkt meiner South Dakota Reise war mit Abstand das Buffalo Roundup im Custer State Park. Spätestens seit Kevin Costner’s Film „Der mit dem Wolf tanzt“ träumt jeder Freizeitcowboy davon, Tausende von Büffel über die Prärie donnern zu hören und zu sehen, die nur noch eine Staubwolke hinter sich lassen. Im wirklichen Leben gibt’s das leider kaum noch. Dazu muss man nach South Dakota kommen.
Die Spannung steigt
Es ist früh morgens, viel zu früh für meine Verhältnisse. Und es ist kalt. Ende September kann hier nachts das Thermometer schon unter den Gefrierpunkt fallen. Aber das spielt jetzt alles keine Rolle. Die Aufregung des kommenden Tages überwiegt die Müdigkeit und das bisschen Kälte. Heute ist es soweit… hoffentlich habe ich Glück und werde vom Gouverneur von South Dakota ausgewählt, auf einem der Trucks mitzufahren und beim Buffalo Roundup nicht nur live, sondern hautnah, mittendrin, Auge in Auge mit den Büffeln, dabei zu sein.
Die Prärie ist ruhig und still an diesem taufrischen Morgen, nur die Vögel zwitschern. Es gibt Kaffee und langsam kommt Leben in das abgesperrte Gebiet rund um den Korral wo später die Büffel eingetrieben werden. Die Sonne späht über die Hügel und ihre ersten Strahlen lassen erahnen, dass es ein angenehm warmer Tag werden wird. Alle warten nun auf den Gouverneur, der entscheidet, wer wo mitfährt bzw. von den Hügeln aus das Roundup beobachten wird. Die meisten Teilnehmer sind Gäste des Gouverneurs sowie eine Gruppe internationaler Journalisten. Die Fahrzeuge teilen sich auf in geschlossene Vans und offene Trucks. Dann ist es soweit, Truck für Truck werden die Namen und Personen zugewiesen. Und endlich, bei Truck Nr. 26 wird mein Name aufgerufen. WOW! Ich bin dabei!
Nach einigen letzten organisatorischen Vorbereitungen geht’s los und die Karawane setzt sich in Bewegung. Bis auf ein paar einzelne Bullen – meistens ältere, die nicht eingetrieben werden, sind noch keine Bisons zu sehen. Der Ablauf des Roundups ist jedes Jahr gleich: „Was die wenigsten wissen ist, dass die Hauptarbeit schon zwei, drei Wochen vor dem Roundup geleistet wird“, erklärt Chad Kremer, der für die Herde verantwortlich ist. Chad verwaltet die Büffelherde im Custer State Park seit 2001. Nebenbei hat er seine eigene Herde mit 60 Tieren.
Die Hauptarbeit haben Kremer und seine Männer bereits in den zwei bis drei Wochen vorher geleistet. Die Büffel sind bereits seit Tagen in einem etwa 1.5 km breiten und ca. 8 km langen Korridor, wenn die Cowboys ihnen den letzten Schub geben. Schließlich grasen die Büffel überall in dem 28.000 Hektar großen Schutzgebiet. Daran denkt an dem fraglichen, häufig sonnig-warmen, Herbstmorgen niemand der Beteiligten und auch die Tausende Besucher auf den umliegenden Hügeln fiebern nur dem sich anbahnenden Ereignis entgegen. Ähnliches gilt für die etwa 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die auf persönliche Einladung des jeweiligen Gouverneurs von South Dakota ein angesichts der Attraktionen in den Black Hills – Mount Rushmore, Crazy Horse Memorial oder die Wild Horse Sanctuary sind nur einige Beispiele – erfülltes Wochenende in der Region und in der State Game Lodge verleben. Am Tag des Roundups gibt’s den letzten Schub und das abenteuerliche Wildwest-Spektakel für die Besucher und Zuschauer.
Auch wenn sich das Roundup längst zu einem Geheimtipp für Touristen entwickelt hat, ist dieser Aspekt nur Nebensache. Die Herde wird zusammengetrieben, ob jemand zuschaut oder nicht. Anfangs waren vielleicht 200 Leute auf dem Hügel. Mittlerweile zieht das Roundup an die 14.000 Besucher jährlich an.
Donnernde Hufe und bebende Prärie
Plötzlich wirbelt Staub auf, die Erde vibriert wie bei einem Erdbeben und die Luft ist vom Donnern der Hufe erfüllt. „Sie kommen“ ruft einer der Mitfahrer. Erst tauchen ein paar zottelige Fellrücken auf, die durch das herbstliche Gelb der Bäume schimmern, dann jagen einige Hundert Büffel über die Prärie. Auf den Hügeln ringsum warten die Reiter ungeduldig auf das Kommando von Chad Kremer, der sie über Funk koordiniert. Erst müssen kleinere Gruppen Büffel zur friedlich grasenden Hauptherde getrieben werden. Dann geht es richtig los: Unter Yipee-Yey-Rufen und Peitschenknallen setzen sich Pferde, Bisons und Fahrzeuge in Bewegung. In rasender Fahrt geht es über Stock und Stein; wir müssen uns gleichzeitig festhalten und unsere Fotos schießen. Um die blauen Flecken kümmern wir uns später, was soll’s. „Als Fahrer ist das Roundup viel, viel stressiger. Deine größte Angst ist, dass du einen Stein erwischst, den du nicht gesehen hast“, vergleicht Bob Schneider seinen ersten Einsatz hinter dem Lenkrad eines Pickups mit seinen Erfahrungen als Roundup-Reiter – und rumpelt mit seinem Gefährt prompt mit großer Mühe über einen Felsbrocken. In den vergangenen Jahren war Schneider einer von 20 Gast-Cowboys, die unter etwa 100 Bewerbern ausgelost werden.
„Wir haben hier viele Steine, Erdlöcher, Senken und Hügel. Deshalb ist es uns am liebsten, wenn die Pferde an solches Gelände gewöhnt sind. Und die Leute sollten für diesen Ritt ihr Pferd kennen“, erklärt Chad Kremer die Bedingungen. Pferd und Reiter müssen nicht nur das unwegsame Gelände im schnellen Galopp beherrschen, sondern auch die eigene Angst. Die größte Herausforderung bei einem Roundup besteht darin, sich die ganze Zeit auf seinem Pferd zu halten. Und dazu musst du ein verdammt guter Cowboy sein. Chad reitet Colonel, ein siebenjähriges Quarterhorse, das er langsam an diese Aufgabe herangeführt hat: „Wir haben ihn beim Korral gelassen, als die Büffel kamen. Dann haben wir immer intensiver mit ihm gearbeitet. Mit fünf Jahren war er bereit.“
Vom höchsten Hügel der Umgebung beobachten derweil Tausende von Zuschauer aus aller Welt das Geschehen. Auch der Gouverneur hat sich dorthin verschlagen um das Spektakel zu beobachten.
Bob versucht schnell auf die schmale Talstraße zu kommen, um die anderen einzuholen. Das gelingt schneller als befürchtet. Der Grund: Es bildet sich ein Stau, weil weiter vorne die Büffelherde den Weg kreuzt. Die Tiere haben es offenbar nicht besonders eilig, auch wenn sie durchaus eine längere Strecke mit 50 Stundenkilometern zurücklegen können. „Dann hängt ihnen die Zunge aus dem Hals. Nach nur fünf Minuten Pause können sie wieder rennen. Sie erholen sich schnell“, erläutert Chad, der seine Reiter in drei Gruppen eingeteilt hat. „Wir haben verschiedene Stopps eingelegt. Etwa an der Talstraße, als der Reiter von seinem Pferd fiel. Wir warteten bis alle für den nächsten Push aufgestellt waren.“ Ein wichtiger Grund für die häufigen Pausen und das relativ geringe Tempo ist die Wärme. Gegen 10 Uhr morgens strahlen Sonne und der fast volle Mond vom blauen Himmel um die Wette, und es ist fast 25 Grad warm.
Dann kommt es aber doch noch zu dem Anblick, auf den alle gewartet haben: Angetrieben vom Geschrei und den knallenden Peitschen der Cowboys setzen sich die knapp 1.100 Büffel in Bewegung und jagen mit donnernden Hufen über die Prärie und kommen erst im Korral zur – vorläufigen – Ruhe.
„Es war der Wahnsinn. Wenn ich dürfte, würde ich jetzt noch reiten. So etwas habe ich vorher noch nicht erlebt. Es lief ziemlich reibungslos, auch wenn einige Bullen durchgegangen sind“, erzählt Cody Fastnacht, dessen Bart an ein Hufeisen erinnert. Der Cowboy, dessen Familie eine Büffelherde mit bis zu 200 Tieren besitzt, ist 1.300 Kilometer gefahren, um beim Roundup mitzureiten. Zusammen mit 56 anderen Cowboys – unterstützt von Kollegen in geländegängigen Fahrzeugen – hat Fastnacht 1050 der in diesem Sommer 1187 in dem 28.000 Hektar großen Schutzgebiet grasenden Büffel zusammengetrieben.
Auch für mich war dieses Roundup ein Wahnsinns-Abenteuer. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich habe zwar einige blaue Flecken davontragen werde – sich auf dem schaukelnden Pickup festhalten und gleichzeitig Fotos zu machen, ist nicht ganz einfach. Aber das war es wert. Es war ein Privileg bei so einem Spektakel dabeisein zu dürfen.
Das Buffalo Roundup ist nicht nur eine unterhaltsame Veranstaltung für die Zuschauer, sondern auch für die Gesundheit der Büffel und das Grasland im Custer State Park wichtig. Testen, Branding und die Impfung der Herde jedes Jahr ist wichtig für die Wahrung einer starken und gesunden Herde für die Zukunft. Der herbstliche Zusammentrieb dient mehreren Zwecken: Die Kälber erhalten das Brandzeichen des Staates – ein „S“ für South Dakota, kombiniert mit dem aktuellen Jahr. Zudem werden die Büffel untersucht, geimpft und sortiert. Custer State Park hat Platz für ca. 1.500 Büffel. Überschüssige Tiere werden bei einer Auktion später im Jahr verkauft. Das Roundup ist der erste Schritt für die Büffelauktion im November. „Wir entscheiden dann, welche Tiere verkauft werden sollen. Damit haben wir etwa drei bis vier Tage Arbeit. Diejenigen Büffel, die nicht bei der Auktion im November verkauft werden sollen, werden wieder freigelassen“, sagt Kremer. Von den zusammengetriebenen Büffeln werden diesmal ca. 250 versteigert, meist nur Jungtiere. Alte Bullen sind nicht sehr beliebt, die werden erst gar nicht in den Korral getrieben. Sie sorgen oft für Unruhe und können andere Tiere verletzen.
Custer State Park ist die Heimat einer der größten Herden in öffentlichem Besitz. Das Buffalo Roundup gibt Besuchern die Gelegenheit, eine der letzten großen Veranstaltungen des alten Westens zu sehen. Es gibt keine bessere Herbst-Veranstaltung, die die großartige Landschaft mit der familienfreundlichen Umgebung so mit in Einklang bringt, wie das Buffalo Roundup im Custer State Park.
Ca. 1.80m groß, ein Gewicht von ca. 2.200 Pfund und bis zu 65 kmh schnell ist das Bison ein imposantes, wildes Tier, das einmal die weiten Ebenen von South Dakota ausgefüllt hat. An die 60 Millionen Bisons gab es um 1800 in Nordamerika, aber nur eine Handvoll überlebte das Ende des Jahrhunderts. Tatanka, wie die Lakota Sioux Indianer die Bisons nennen, wurde gnadenlos gejagt und abgeschlachtet. Heute gelten Bisons als ökologisch ausgestorben, bis auf einige Ausnahmen von ein paar Nationalparks. Yellowstone Nationalpark hat die größte Bevölkerung der freilaufenden Flachlandbisons (ca. 4.000) und Wood Buffalo National Park hat die größte Bevölkerung der freilaufenden Waldbisons (ca. 10.000). Jedoch auch den Bisons im Yellowstone droht Unheil, wenn sie sich außerhalb des Parks in Montana ihr Futter suchen. Obwohl es keine bekannten Fälle der Brucellose Krankheitsübertragung gibt, haben die Farmer Angst um ihre Rinder und schlachteten die Bisons ab. Dank einiger ruheloser Aktivisten wurde daraufhin eine Vereinbarung mit dem Yellowstone Nationalpark getroffen und ein sog. Winterkorridor für die Bisons errichtet, der ihnen ermöglicht, auch außerhalb des Parks, ganz besonders in den strengen Wintern, nach Futter zu suchen und ihnen so die Möglichkeit des Überlebens bietet.
Zwei South Dakota Viehzüchtern ist es zu verdanken, dass es heute wieder so viele Bisons im Custer State Park gibt. Fredrick Dupree verschonte fünf Büffel von einer Jagd im Jahre 1881, und über das nächste Jahrzehnt, baute er eine kleine Herde auf. Dupree verkaufte die Tiere an den Rancher „Scotty“ Philip in Fort Pierre und die Herde wuchs auf mehr als 1.000 Tiere. Philip verkaufte einige Büffel und somit entstand die Custer State Park Herde.
Das nächste Buffalo Roundup findet am 29. September 2023 statt.
Custer State Park * Tel: 605-255-4515 * www.custerstatepark.com
South Dakota Office of Tourism * Tel: 605-773-3301 * www.travelsd.com
So kommen Sie zum Buffalo Roundup:
Von Deutschland aus fliegen Sie am besten über Denver nach Rapid City. Von dort geht es weiter mit einem Leihfahrzeug, das Sie sich bereits in Deutschland reservieren sollten. Custer State Park liegt ca. 34 Meilen/54 km von Rapid City entfernt, inmitten der landschaftlich schönen Black Hills von South Dakota.
Photos: Sonja Stimmer; Heike Kreuzer; Chad Coppess/South Dakota Office of Tourism